Antwort auf: Enja Records

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Mal Waldron Trio – Mal, Dance and Soul | Ohne Marty Cook ging es am 25. November 1987 in die dritte Runde in den Trixi Studios in München. Mal Waldron mit Ed Schuller und John Betsch sowie auf einem Stück der LP (1988) und drei weiteren nur auf der CD (1989) auch Jim Pepper (nur ts). Und diese LP, die gemäss Dicogs wohl ein Jahr vor der CD-Ausgabe erschien, war die ersten von Tutu, der neuen Schiene von Peter Wiessmüller, der hier noch als Co-Produzent mit Weber geführt wird. Es gibt im Hauptprogramm, das auch auf Vinyl erschien, sechs Waldron-Stücke, darunter als letztes der Klassiker „Blood and Guts“ und direkt davor „Soul Mates“, Jim Pepper gewidmet und mit diesem am Tenorsax eingespielt. Auf der CD folgen noch „Solar“, „Blue Monk“ und dann noch ein Waldron-Stück, „Golden Golson“. Nach einem ziemlich tollen Tag mit kinetischer Kunst von Otto Piene im Tinguley-Museum in Basel (kannte ich davor nicht mal dem Namen nach – ist der in Deutschland allgemein bekannt?) und danach Christoph Marthalers phänomenale Inszenierung von Monteverdis „L’incoronazione di Poppea“ am Theater Basel (mit dem La Cetra Barockorchester unter Laurence Cummings), ist Waldron jetzt genau das richtige, um runterzukommen.

John Betsch und Ed Schuller erweisen sich als bestens geeignete Begleiter – auch wenn Waldron in „A Bow to the Classics“ mal was neues ausprobiert (so neu auch nicht, es gab ja auch schon ein Satie-Album, ich habe bei seiner Diskographie eh nicht den grossen Durchblick … aber neu auf Enja), was zwar entgegen der vom Titel geschürten Erwartungen eher nach John Lewis als nach Johann Sebastian Bach klingt. Da greift Schuller dann auch mal zum Bogen. Im Opener „Dancing on the Flames“ wird waldron-typisch gerifft, während Betsch wirklich seine Besen tanzen lässt – und ich mich von den Klangfarben und Rhythmen mal kurz an Abdullah Ibrahim erinnert fühle. „Little One“ ist ein sehr schöner Walzer … gar nicht so weit von Ron Carters „Little Waltz“ entfernt, dünkt mich.

Das zweite Drittel beginnt wieder mit einem Riff-Stück, „From a Little Acorns“. Dann „Soul Mates, Auftritt Jim Pepper, während die Rhythmusgruppe Pause macht (und Peter Wiessmüller die Idee für sein zweites „The Art of the Duo“-Album hat). Das ist echt schön, da kann man durchaus mehr haben wollen (ich auch, das Duo-Album ist schon lange hier). Der LP-Teil endet dann mit dem schon erwähnten „Blood and Guts“, das auch einem Futura-Album von 1970 den Titel gab. Das Riff funktioniert hier irgendwie anders, offener, heller, und es gibt viel Platz für Schuller und Betsch. Dann folgt die Nachspielzeit, die dritte Albumseite, die es nur auf der CD zu hören gibt. Pepper spielt ganz allein das Thema von „Solar“ (Chuck Wayne, oder? Kann mir nie merken, wer welches „Miles-Davis-Stück“ geschrieben hat). Erst kurz vor der 2-Minuten-Marke setzt Schuller ein, einige Takte später dann auch Betsch und Waldron. Dieser Teil des Albums hat auch wegen der Song-Auswahl (das Hinzukommen Peppers war anscheinend eher spontan). Waldron ist hier ziemlich super, Pepper lässt sich dann Zeit und spielt ein tolles Blues-Solo. Auch dank Schuller/Betsch wird ausgerechnet aus „Blue Monk“ ein Highlight. Dann „Golden Golson“ zum Abschluss – Benny Golson natürlich, wie sofort zu hören ist: das Stück ist eine Art Paraphrase von „Along Came Betty“ (glaub ich?). Deutlicher als in den Stücken mit Waldron auf dem Cook-Album wird bei diesen drei Stücken, wie gut Waldron sich auf das Begleiten – inklusive Pausieren, was er hier länger tut – von Bläsern verteht, das „Comping“. Ein schöner Abschluss für ein ziemlich gutes Album, das aber kein Lieblingsalbum ist.

In den Liner Notes betont Thomas Fitterling, wie über 20 Jahre nach ECM und Enja jetzt noch ein Label mit einem Waldron-Album gestartet werde, das neue Label von Weber und Wiessmüller … die Geschichten hinter den Schismen und doch anhaltenden Kollaborationen der drei Herren W. (und des Herrn A. – war das derjenige, der zu kitten vermochte?) würden mich schon mal wundernehmen … das wirkt ja alles nicht sonderlich zielgerichtet, und dennoch kamen auf den Labeln sehr viele sehr gute Alben heraus (wobei ich bei

Ein Nachgedanke, den ich aber schon seit ein paar Tagen in mir wälze: Warum taucht eigentlich Ed Schuller kaum je auf, wenn es um gute Bassisten geht? Paul Motian, Marty Cook, Mal Waldron, Joe Maneri, diverse Alben als Leader – da kommt einiges zusammen und ich finde ich soweit ich das im Kopf habe immer überzeugend. „Mu-Point“ lief hier neulich ja wieder mal (darf nicht mitspielen glaub ich, das ist von der Nach-Enja-Zeit von Tutu) und das ist nah am Lieblingsalbum … „The Eleventh Hour“ (1993) habe ich gerade nachgekauft, noch nicht angehört.

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