Antwort auf: Enja Records

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Takeo Moriyama – Green River | Ein Blindkauf vor ein paar Jahren … Moriyama ist bei Enja schon auf Alben vom Yamashita Trio und von diesem plus Manfred Schoof zu hören. Am 6. Juli 1984 wurde er nun mit seiner eigenen Band beim Jazz Ost-West in Nürnberg mitgeschnitten. Shochi Enomoto und Toshi Inoue spielen Sopran- und Tenorsax, der erstgenannte auch Flöte, Hideaki Mochizuki ist am Kontrabass dabei. Es gibt eine recht tolle Mischung aus Powerjazz, der irgendwo zwischen Postbop und leisen Free-Anklängen schwebt, und lyrischen Momenten – dass das an Elvin Jones anknüpft (ich hörte das Album am selben Abend schon, als @redbeans oben drüber schrieb, aber mochte mich nicht genügend konzentrieren, um was zu schreiben) kann ich mir gut vorstellen, auch wenn ich im Spiel des Leaders eher eine Art zickiges Trommeln aus der Richtung von Roy Haynes zu hören glaube … kein flächiges, sitzendes Spiel sondern irgendwie ein stehendes, was im Opener „Ta-Ke“ mit seinem Yakety-Sax-artigen Thema (bis auf ein Stück von Enemoto hat Inoue alle Material beigetragen) stark zur Geltung kommt. „Night Story“ ist dann mehr oder weniger ein ts/d-Duo über ein langsames Thema, das aber ziemlich intensiv wird. Das zweite Sax legt ein paar Töne drunter (der Bass ev. auch? ich höre hier nichts). Enemotos „Gradation“ schielt dann vom Gestus her eher zu Ornette Coleman? Die Saxophone in engem Zusammenspiel, der Bass am Anschlag, wieder dieses irre Getrommel – auch die Becken wirken bei Moriyama fast wie Trommeln! In seinem Solo hier gibt es einen „Salt Peanuts“-Moment. Die Saxophonisten, die davor an der Reihe sind, kann ich nicht auseinanderhalten, aber gut sind sie beide. In „Green River“ wieder mit Unisono-Saxophonen über ein Bass-Ostinato entwickelt im Thema einen irren Sog, der in den Soli dann etwas verloren geht, aber im tollen Schlagzeugsolo wieder da ist. „Tohku“ mit Rubato-Trommeln und zwei Sopransaxophonen (nicht unisono sondern toll mit- und gegeneinander arrangiert) ist total bezaubernd. Fürs Solo wechselt Enomoto dann an die Querflöte und spielt über den tiefen Bass von Mochizuki, während der Leader weiterhin punktiert und Inoue mit dem Motiv aus dem Thema zu begleiten beginnt. Damit beginnt bei der ziemlich langen LP die B-Seite. „Non Check“ ist dann wieder eine energetische Nummer – und vielleicht die, in der Moriyamas Schlagzeugspiel durch flächigeren Einsatz der Becken tatsächlich ein wenig an Jones erinnert? Die Snare bleibt aber zickiger, trockener. Das erste Sax-Solo beginnt als Duett mit dem Bass, dann steigt der Leader ein, und beim zweiten Sax-Solo pausiert dann der Bass und es geht in freiere Gefilde, aber ein Puls zieht sich durch (und da sind wir dann schon im Coltrane/Jones ca. 1965 Gebiet). Nach einer kurzen Themenrekapitulation ist hier ein Schlagzeugsolo vollkommen folgerichtig, es fällt weniger frei und bewegt aus als die Begleitung des zweiten Sax-Solos, aber ist erneut toll. „Fields“ heisst der Closer eines sehr starken Live-Albums, das eine Band dokumentiert, die eng verzahnt ist, ohne wirklich free zu spielen einen durchaus freien Geist beschwört. Die duellierenden und duettierenden Saxophone sind dafür ebenso wichtig wie die superbe Rhythmusgruppe, in der Hideaki Mochizuki eine ständige hellwache Präsenz ist, die mit den Drums des Leaders kongenial funktioniert (ich kenne die zwei als Gespann auch noch vom Album „Good Nature“ von Koichi Matsukaze – und dass „East Plants“ nochmal eine Spur stärker als „Green River“ ist, würde ich auch sagen, ohne letzteres aktuell gerade im Ohr zu haben, aber beide Alben liefen die letzten Jahre hie und da, „Green River“ kam 2020 bei Solid als CD neu heraus, „East Plants“ schon 2018 bei BBE, aber ich hab’s wohl erst etwas später gekauft – beim hinterlegten Link kann man es streamen).

An der Stelle mal – längst fällig – die Beobachtung, dass viele Enja-Alben one-offs geblieben sind. Durchaus bedauerlich, aber angesichts der Güte des Katalogs aus Sicht der Produzenten vermutlich egal.

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