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gypsy-tail-wind
Bin jetzt hier:
Abbey Lincoln – Talking to the Sun | Das Album ist wirklich umwerfend. Mit „The River“ öffnet es gleich mit einem Stück, das mich denken lässt: von nun an geht’s bergab – denn toppen kann man das eigentlich gar nicht. Die Delivery von Lincoln, er Song überhaupt, die gespentischen Background-Vocals. Was für ein grandioser Einstieg! Doch die Geschichte es zweiten Songs, „Whistling Away the Dark“ von Mercer/Mancini, ist so berührend, der Groove so toll (Mark Johnson am Schlagzeug – warum ist der kein Weltstar geworden? Nicht mal household name in Jazzkreisen?), und dann geht’s mit dem Titelstück in nochmal eine völlig andere Richtung weiter, hypnotisch, da können nicht mal die Congas stören … die erste Hälfte endet mit Stevie Wonder, „You and I“ – der Bass ist hier für mich stellenweise ein Grenzfall, aber es ist mehr die zwischen Tönen „schleifende“ Spielweise und diese halben „Triller“ („Vorschläge“, oder wie nennt man das nochmal?) auf einzelnen Tönen, denn der Sound ist eigentlich schön und einen Mangel an Körper/Volumen kann man da echt nicht monieren. Auf der zweiten Seite geht es mit dem letzten Original los, „People on the Street“, in dem es dafür dann gleich ein gutes Bass-Solo gibt. Und Steve Coleman sollte auch längst mal erwähnt werden, der hier schlicht perfekt agiert, sein Ton, seine Phrasen, wie er der Versuchung, in rasante Doubletime-Läufe zu fallen widersteht – und wie toll das gerade in der Zurückhaltung herauskommt. Dann gibt es den Klassiker „You’re My Thrill“, in der es dann die schnelle Passage mit der ganzen Band gibt, in der Coleman und auch Pianist James Weidman loslegen über den gespentischen Chor loslegen, bevor Lincoln im ursprünglichen Tempo wieder einsteigt, während die Band zunächst weiterrast – eine tolle Arrangement-Idee! Zum Ausklang gibt es dann eine lange Version Villa-Lobos‘ „Prelude (A Wedding Song)“ mit Lyrics von Lincoln.
Einfach der Hammer, was Lincoln und die Band hier bieten. Das wirkt alles so zusammen, so aus einem Guss, perfekt austariert und abgestimmt, und doch ziemlich relaxt, entspannt und mit unglaublichem Biss. Ich kenne das Album war erst seit meiner Aussöhnung mit Lincoln vor wenigen Jahren, aber ich glaub, das muss in meine Liste.
Aufgenommen wurde „Talking to the Sun“ am 25. und 26. November 1983 von David Baker bei Classic Sound Prod. in New York mit Steve Coleman (as), James Weidman (p), Billy Johnson (b), Mark Johnson (d), Jerry Gonzales (perc) und den Backgroundsängerinnen Arlene Knox, Bemshee Shirer und Naima Williams, die nur selten – aber sehr effektvoll! – zu hören sind.
sehr schöner text zu diesem album, das mir dadurch noch toller vorkommt als ohnehin schon der gespenstische chor ist tatsächlich interessant – wie kommt man auf eine solche idee? die stimme von lincoln, die sich ja überhaupt nicht für einen background eignen würde, wird so eigenartig aufgefangen, verlängert und eingehüllt, in eine andere tradition des afroamerikanischen gesangs überführt, auch ein bisschen abgemildert. und die songauswahl ist natürlich total originell. freue mich aufs wiederhören. (tatsächlich war das meine erstbegegnung mit lincoln, weil ich damals alles gekauft hab, wo „coleman“ draufstand und nicht „george“ oder „ornette“ davor.)
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