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Einige Gedanken grundsätzlicher Art nach der Intervention von @vorgarten – danke dafür!
Bei mir ist im avisierten Minimalprogramm jetzt knapp Halbzeit (ca. 80 Alben gehört und hier drüber geschrieben, noch so 80-100 vor mir, aber im Maximalprogramm wären das noch bis zu 200, was ich bis Ende Mai auf keinen Fall schaffe, weil bis dahin u.a. auch noch ein kompletter „Ring“-Zyklus im Kalender steht), drum werde ich etwas straffen müssen.
Die Entdeckungsreise in den Siebzigern war enorm faszinierend – da drängt sich auch nochmal ein Rückblick zum ECM-Projekt auf, wo ich einerseits viel mehr Entdeckungen machte (was mit meinen latenten Vorbehalten zu tun hat, die dadurch auch sehr viel geringer wurden), aber andererseits finde ich Enja – durchaus meinen Erwartungen entsprechend – ansprechender, interessanter, vielschichtiger … und ja, für mich auch: zugänglicher. Die enorme Qualität des Outputs der ersten Jahre ist jedenfalls beeindruckend. Und das ist durchaus eine neue Erkenntnis, die erst durch das fokussierte Hören so deutlich zum Vorschein gekommen ist.
Die Öffnungen in den 80ern sind ja zugleich auch Schliessungen, oder? Neben dem Tommy Flanagan Trio gibt es dann halt auch mal noch das Horace Parlan Trio, das ich gestern zur Nacht hörte, aber es gibt halt kein Yamashita Trio mehr, Cecil Taylor guckte auch nur kurz vorbei bzw. wurde wohl gar nie aktiv als Projekt verfolgt (da gibt es noch ein drittes Album viel später mit dem Italian Instabile Orchestra, das mir nie so richtig gefallen wollte), Bob Degen taucht 2010 nochmal auf, aber das ist dann auch keine Öffnung mehr, nehme ich an? (Ich kann mir übrigens durchaus was vorstellen unter der Beschreibung von @redbeansandrice von neulich – aber das in Worte zu fassen ist echt nicht leicht … es geht um Dinge, die mensch als „akademisch“ oder „verkopft“ beschreibt, als einen Überhang von Form und Struktur vs. Freiheit, Lässigkeit usw., die alte Leier vom E vs. U und was weiss, alles nur untaugliche Behelfskonstrukte um etwas zu umschreiben, das eher gefühlt als gehört wird … jedenfalls ginge ein Erklärungsversuch von meiner Seite in eine solche Richtung, aber tauglich würde er erst, wenn man über diesen Worthülsen-Ballast hinausgelangen könnte).
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Der Fragen an @lotterlotta nach Ibrahim möchte ich mich sehr gerne anschliessen. Ich schiebe nochmal nach, dass er in meiner Kindheit sehr präsent war, auf dem Plattenteller daheim mit „African Marketplace“, „South African Sunshine“ („hit and run / freedom comes through the battle of a gun“) und auch mit „South Africa“, „Yarona“ (das ist bei mir ein Top-Favorit, war 1996 oder 1997 eine grosse Offenbarung, dass der Gute auch so ein richtig tiefschürfendes Klaviertrio kann bzw. immer noch kann, jenseits seiner Formeln und Floskeln und seiner eigenen – mir so lieben, auch wenn sie floskelhaft ist – Klangwelt bzw. auf dieser aufbauend, diese erweiternd, quicklebendig mit zwei reaktiven, schnellen Partnern), „Good News from Africa“, den „African Recordings“ auf KAZ und einigen mehr. Dass sich mir im Kreisen um diese Musik der südafrikanische Jazz in unterschiedlichen Spielarten erschlossen hat und auch das prägend ist, ist hier ja ebenfalls bekannt (eine grosse Offenbarung war z.B. „Home Is Where the Music Is“ von Hugh Masekela, aber da hatte ich längst auch Alben von Basil Coetzee, McCoy Mrubata, Zim Ngqawana und anderen im Regal, die ganze Brotherhood of Breath, Blue Notes und Harry Miller Ecke zu entdecken angefangen, Berührungslinien in die Niederlande und zu Nimbus West mit Sean Bergin und Curtis Clark gefunden etc. etc.). Ibrahim bleibt für all das aber quasi der Nukleus, in den frühen Nullern kam ich übers Netz auch mit ein paar Leuten in Kontakt, die mir z.B. sowas wie Dennis Mpales „Our Boys Are Doin‘ It“ oder das südafrikanische Album von Hal Singe auf CD-R brannten – anderes kam dann durch den Electric Jive Blog dazu, später durch die LP-Reissues von Matsuli und in jüngster Zeit dank der LPs von We Are Busy Bodies/as-shams … und inzwischen halt auch die leider rein digitalen Remasters von as-shams (via Bandcamp) … CD-Bestellungen nach Südafrika gab’s in den Nullern auch ein paar, das war irre, 25 für fünf 5 CDs und dasselbe oder noch mehr für den Versand, aber die CDs waren halt so billig … das ist eine ganze musikalische Welt, die sich mir letztlich aus dem frühen Hören von Abdullah Ibrahim irgendwie nach dem Zwiebelprinzip zu erschliessen begann – und ich hoffe, das ist noch nicht am Ende (es gibt auf jeden Fall noch einiges an Klassikern, die ich nicht kenne, scheint mir, aber da ist auch Discogs oft lückenhaft und Infos – grad wenn man gar nicht weiss, wonach genau suchen – nicht so leicht zu finden).
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Zu „Soul Song“ vielen Dank für die Einordnung – mir ist der spätere (bzw. so spät ist ja „alles ab 1970“ noch nicht) Shepp ja nicht so nah, das kleine Hörprojekt (die vier Futura-Alben und ein paar weitere Sachen) steht noch immer an bzw. wurde erst punktuell und nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit angegangen. Das halte ich mir offen und gebe gerne zu, dass mir da die Bezüge und das tiefere Verständnis bisher einfach fehlen. Mag sein, dass das einst zu einer neuen Einordnung des Albums führen wird … wie gesagt: Danke!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba