Antwort auf: Enja Records

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gypsy-tail-wind
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Guten Morgen – „Social Sketches“ hab ich schon aus Japan bestellt, „Talisman“ kommt wohl auch noch dran. Keine Ahnung, ob das vor Ende Mai was wird oder nicht. Und ja, von Adams kannst Du dann Runde 2 überspringen @vorgarten – das erste Album ist einen Tacken besser.

Zwischen Davis und Scofield liess ich „Live at the Jazz Showcase, Chicago Vol.1“ von Hampton Hawes aus und habe eine Lücke, die ich auch mal noch füllen möchte, „Dance“ von Akira Sakata. Auf Hal Galpers indirektes Enja-Album folgte mit „Search for Tomorrow“ das zweite von Prince Lasha, auch eine Übernahme einer Fremdproduktion. Schade eigentlich, dass die anderen Alben der Reihe (drei Alben „Firebirds Live at Berkeley Jazz Festival“, Enja wählte Vol. 2) nicht auch mal noch bei Enja gelandet sind. Im Westen sind die Lasha-Alben auf einem von Enjas seltenen CD-Twofer erschienen (mir kommt sonst spontan nur der schon erwähnte mit Webster/Ammons in den Sinn), in Japan gibt es auch separate Reissues, auch in den CD-Reihen der letzten Jahre.

EDIT: Link zu „Dance“ ergänzt.

Mal Waldron – What It Is | Und hier sagt jetzt endlich mal wieder wer, was Sache ist. Mit einer Art faulen Backbeat steigt das Quartett in Clifford Jordans „Charlie Parker’s Last Supper“ ein. Jordan am Tenor, der Leader am Klavier, Cecil McBee am Bass und Dannie Richmond am Schlagzeug (ist neben ihm sonst noch wer auf historischen wie auf neuen Enja-Produktionen so präsent? Benjamin/Ibrahim zählen nicht, weil das Benjamin-Album aus Paris ja nur wegen der neuen Produktionen überhaupt zum Label kam). Ein Groove, vor dem es kein Entrinnen gibt, Jordan mit wahnsinnig tollem Ton (ich glaub, der gefällt mir hier besser als auf den frühen Aufnahmen – müsste ich mal nachhören, wo sich das ändert bzw. ob und wie sich der Ton entwickelt). Waldron spielt dann ein etwas anderes Solo als üblich – das ist ja ein All-Star-Quartett, keine richtige Waldron-Band – und McBee folgt mit einem tollen Solo. Es folgt „Hymn from the Inferno“, ein zwölfminütiges Waldron-Stück – das geht quasi schleichend mit dem Klavier los, träge steigen irgendwann Jordan und die Rhythmusgruppe ein, das Zeitgefühl entschwindet … und irgendwie wird das zu einer halben Free-Performance, in der Jordan gar nicht recht wie der Solist wirkt, die Rhythmusgruppe löst sich zwar nie vom Puls, aber umspielt diesen oft mehr als dass sie ihn ausspielt. Das ändert sich auch nicht, wenn McBee/Richmond danach im Duo improvisieren – bis die Musik fast zum Stillstand kommt und Richmond dann wieder einen Beat zu setzen beginnt, mit dem er solo zur Themenrekapitulation überleitet. Die zweite Hälfte des Album besteht dann nur aus einem Stück – das bei meiner CD-Ausgabe (1994) mit „4:05“ vermerkte Titelstück aus Waldrons Feder, das nicht ganz 18 Minuten dauert. Hier gibt’s eins dieser typischen Riffs, das acht Takte dauert, aber auf die eins vom fünften gibt es einen Halteton und dann quasi vier Takte Pause mit leisem Hi-Hat und nachklingendem Klavier und Bass. Hier spielt Waldron das erste Solo, während McBee/Richmond den Groove befeuern und dafür besorgt sind, dass es einen stetigen Fluss von Variationen gibt – ganz wie in Waldrons Nicht-Solo eigentlich. Toll, wie sich das alles verzahnt. Und was sich da auftürmt ist schon irre! Dann übernimmt Jordan, Waldron repetiert jetzt das Riff, McBee fällt mit ein, während Richmond in den Dialog mit dem Sax tritt. Je länger das dauert, desto freier wird es wieder, McBee entfernt sich vom Lick, verharrt oft länger auf einem Ton, Jordan scheint zu sprechen, oft in der tiefen Lage des Instruments. Dann zieht er hoch, erinnert im Cry auch mal ein klein wenig an Coltrane. McBees Bass wird dann unbegleitet zum Ruhepol, aber er schafft es, die Spannung zu halten, auch indem er das Riff weiterlaufen lässt, immer wieder zu ihm zurückkehrt, was Waldron und Richmond dann natürlich aufgreifen, wenn sie so nach 13 Minuten wieder einsteigen und mit dem Riff zum Schlagzeugsolo überleiten – ein schöner „arranger’s touch“, dass die Soli so eingebettet werden.

Die Aufnahme entstand am 15. November 1981 im Vanguard Studio in New York (von David Baker aufgenommen, später von Carlos Albrecht abgemischt), ich hab die CD sicher seit den Neunzigern und mochte sie immer etwas lieber als die meisten anderen (Penguin Guide, Allmusic, Organissimo …) – und klar, es ist auch eine Art Fortsetzung von „Speak, Brother Speak!“, dem ähnlich halbgeliebten Live-Album, das Jordan und Waldron 1962 als Mitglieder vom Quartett von Max Roach aufgenommen haben.

Im Booklet gibt einen BFT mit Waldron aus dem Jahr 1968 (in „Schwerzenbach near Zürich“ of all places durchgeführt von Weber für Jazz Podium). Das Milt Buckner Trio (p mit Jimmy Woode/Jo Jones) ist ihm „too arranged […] also, the solos aren’t spontaneous. They sound as if they were pre-arrangend. It’s nice cocktail music“ – Und dann meint er, das könnte George Shearing sein. Dann gibt’s Nat Cole im Trio mit „Body and Soul“ und er erkennt das. „Moore is great. Nat King Cole plays such good piano. It’s too bad that because of his commercial success as a singer, his piano playing was pushed into the background. It’s a great loss for jazz that the public no longer knows of him as a pianist.“

Dann gibt’s „Dick’s Holler“ vom Leadbelly-Album von Jordan: „A fairly big contrast between the music played and the soloist’s conception. The first impression was that is was a very old recording, but once the solos sart, you realise it isn’t an old recording, that the musicians play in a modern style. The pianist [Cedar Walton] is influences by Horace Silver. It’s good msuic, but I have no idea who it is.“ (Vollständige Antwort)

Danach „Sombrero Sam“ vom Charles Lloyd Quartet, was Waldron wieder erkennt. „Keith Jarrett is a very good pianist. He’s a player with a great future.“ Es folgt „Kattorna“ vom Komeda Quintet mit Stanko und Namyslowsky – Waldron mag das Stück und meint passend: „Listening to this takes my mind on a journey to the East.“ Dann Trzaskowskis Quintett mit Stanko und Muniak, den Waldron ohne zu zweifeln für Steve Lacy hält – worauf er bei der Trompete auf Rava tippt und nachschiebt, „it could also be Don Cherry“ – auch da nur lobende Worte. Den Ausklang macht dann Shepp mit „Mick“ von den New York Contemporary Five, und da tippt Waldron wieder richtig, schiebt dann aber nach, „It could also possibly be Albert Ayler with his brother. You have to be in a special mood to listen to this sort of music You can’t always take it. You have to be in a somewhat rebellious mood if you want to understand it. Since I moved to Europe, I have less reason to listen to or play such ‚protest‘ music.“

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba