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vorgarten
gypsy-tail-wind
Ceramic Dog dacht ich mögst (gibt es die Verbform? Der Rote zum Essen gerade war gut) Du nicht? Verwchsel ich da was? Ich hab glaub ich drei Alben… aber weil yellowbird irgendwie noch nicht auf dem Schirm.
ribot-bands sind meistens nichts für mich, am wenigsten die falschen kubaner. aber das trio mit henry grimes und chad taylor mochte ich ja in meiner gitarrentrio-recherche plötzlich sehr gerne. bin also ergebnisoffen.
Bin gespannt! Auch auf mein Wiederhören – aber momentan weiss ich noch nicht, ob das vor Ende Mai stattfinden wird oder ob ich mal wieder etwas länger beim Thema verweilen werde.
Bin jetzt hier:
Walter Norris / Aladar Pege – Winter Rose | 40 Minuten, der Rest von „Synchronicity“ also nicht mit dabei, und wieder im Piano/Bass-Format, aufgenommen bei drei Sessions (18. Juni, 31. August und 28. September 1980) bei Bauer in Ludwigsburg. Eigenartig, diese vielen Sessions … schwer zu sagen, woran das wohl gelegen haben mag. Der öffnende „Playground“ (Pege) klingt tatsächlich recht verspielt, manchmal auch ziemlich frei. Dann folgt das Titelstück von Norris, eine sehr schöne Ballade. Die erste Hälfte endet mit Peges Arrangement (für gestrichenen Bass solo – mit zusätzlichen Overdubs glaub ich?) eines ungarischen Kinderliedes („Elveszettem Páromat“) und dem kurzen „For High Notes“ von einem Noel Lee* (Klavier solo). Auf der zweiten Seite umrahmen ein ebenso kurzes „A Child Is Born“ (nochmal Piano solo und sehr, sehr schön) und Norris‘ „Enkephalins Rose“ das über zehn Minuten lange „Evening Lights“ von Pege (wieder mit viel gestrichenem Bass).
Im Booklet meiner Ausgabe (passt zur 2010er-CD auf Discogs, aber 2010 steht da nirgends, nur 1980) gibt es – nicht selten der Fall – einen Blindfoldtest, den Weber mit Norris veranstaltet, leider nicht datiert (auch das nicht selten der Fall bei Enja). Als erstes spielt er ihm Ornette Coleman vor, „Congeniality“ vom ersten Atlantic-Album, und klar, das erkennt Norris und sagt: „Great! It’s logical, fresh new music. I can imagine that older jazz fans might have difficulties with this music. Ornette is a natural musician, and he opened up a new way in the music.“ Es folgt ein Duo von Roland Hanna mit George Mraz – und auch das erkennt Norris. „Hanna is a very talented pianist, and Mraz is one of the best bassists in jazz. Hanna’s music is always logical, combined with a strong expressive feeling. He constructs his solos like first-class compositions, His music sings. He brings it out from within.“ Diese Sätze – die Betonung des „Logischen“, das instant composing, das aber nicht der Emotionen entbehren soll, kann man vermutlich auch als Statements lesen, was Norris selbst mit seiner Musik erreichen wollte. Es geht dann weiter mit „The Eye of the Hurricane“ von Hancocks „Maiden Voyage“, das er nicht erkennt und vermutet, dass das ein schwieriges Stück zum drüber improvisieren sei und findet, die beiden Bläser gut aber nicht optimal abliefern („I have a feeling that both players would open up more in a different playing situation“). Dann gibt es noch „Clay“ und „Conquistator“ – und Norris erkennt natürlich wieder beide. Über Yamashita sagt er nur das Allerbeste – „amazes me … incredible … first-class music … interesting, new, and fresh“: „Not only does he have incredible technique, he also has expressive powers on the level of a Charlie Parker or an Ornette Coleman. I would hope he always has the best concert grands to play on. I think that you need to build a stronger piano, one with more strings, for pianists like him. The instruments we use today weren’t built with pianists like Yamashita in mind. Like a ll great art, Yamashita’s music is a reflection of a particular time […] This isn’t commercial or pop muusic. It belongs in the concert hall, not in the night club“. Mit Taylor ist er dann deutlich weniger gnädig: „Of rouse, Taylor is a good musican, but the band tries too hard to bring it together. The drag on and on, and I kept waiting for the high points, the climaxes, and they just don’t happen. With Yamashita it’s just the opposite. Yamashita simultaneously captivates and scraes me. There are no boring moments with him. He completely epxends himself. He gives everything he has. It’s very hard to play this style of contemporary music.“
Da frage ich mich schon auch, wo Norris wohl sich selbst in dieser „natürlichen“ und „logischen“ zeitgenössischen Musik sieht, ob er seine bei der „first-class music“ miteinbezieht? Ob er sein so logisch wirkendes Spiel als eins hört, das sich vollständig aufbraucht? Ob er auf der Suche nach dieser Ästhetik der Klimaxe bei sich selbst fündig wird? Ich finde „Drifting“ jedenfalls ein wirklich tolles Album und „Winter Rose“ einen nicht ganz so tollen, aber überaus anregenden Nachfolger. Aber ich höre Norris eben auch als eine Art gehemmten Musiker – was aber irgendwie innerhalb seiner eigenen musikalischen Welt keine Rolle spielt. Er haut zwar Linien in grösster Logik raus (tatsächlich, ich nannte es bei „Drifting“ neulich „Folgerichtigkeit“, glaube ich?), glänzt mit einem endlosen Fluss an (melodischen) Ideen. Daher rührt dann für meine Ohren auch ein Tristano-Bezug, der aber – nicht wie Lee Konitz, der bei meinen Enja-Faves glaub ich keine Rolle spielt, aber später auch noch Thema wird – eben nicht so recht ins Emotionale, ins Unmittelbare ausbrechen kann.
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*) Scheint eine interessante Personalie zu sein – ich habe den Namen noch nie gehört, aber in die Musik von Louis-Moreau Gottschalk habe ich mich letztes Jahr Mal ein wenig vertieft und das ist teils schon sehr interessant, weil es wohl mit die erste genuin US-amerikanische „klassische“ Musik ist (oder Salon-Musik oder was weiss ich, die tourenden Pianisten wie Liszt oder so waren damals ja halbe Pop-Stars) … dass Norris sich auf so jemanden bezieht, finde ich auch nicht weiter überraschend (immer vorausgesetzt, dass das *der* Noel Lee ist).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba