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Tommy Flanagan – Super-Session | Bis dahin wieder ein paar Lücken – nicht „Mingus in Europe Volume I“ und Eric Dolphys „Stockholm Sessions“. Aber das Solo-Album von Attila Zoller „Conjunction“ (kennst Du es @vorgarten?); „Ivory Forest“ von Hal Galper, mit dem ich mir den heutigen Geburtstag teile, und das ev. John Scofields Label-Debut ist?; und Yamashitas „A Tribute to Mal Waldron“, über das ich bisher nur Dinge las, die mich von einem Kauf abgehalten haben. Weiter geht es dann mit „Super Session“ von Tommy Flanagan, dem letzten von seinen drei besten Alben gemäss dem Text von Weber für „Eclypso“. Hmmm … das ist schon sehr gut, aber der Mann am Bass ist halt für meine Ohren doch der falsche für „bestes Album“, befürchte ich. Red Mitchell und Elvin Jones waren dabei, als es am 4. Februar 1980 in die Sound Ideas in New York ging. Pino hat das Coverfoto beigesteuert (kann man so halb erahnen in diesem Fall, finde ich) und E. Winckelmann (Elisabeth, Frau von Matthias) das Design. Meiner 1988er-CD fehlt bei Discogs schon wieder … von manchen – vermutlich den erfolgreichsten – Alben gab es echt viele Ausgaben! Bei mir ist „Super Session“ erst etwas später dazugekommen, gleich wie „Eclypso“, das mir aber spontan mehr zugesagt hat (Mraz ist ja auch kein direkter Favorit hier, aber mir doch lieber als Mitchell). Es geht mit „Django“ los – womit das Album bei mir einen Stein im Brett hat, ich liebe dieses Stück von John Lewis sehr und ich glaub, es ist ziemlich unkaputtbar. Im folgenden „Minor Perhaps“ (auf „The Cats“ von 1957 heisst das Stück „Minor Mishap“) dreht Elvin Jones dann ziemlich auf. Die ersten Hälfte endet mit „Too Late Now“, einer grossartigen neuneinhalbminütigen Balladen-Performance: langes Rubato-Solo-Intro, dann wird mit Mitchells Einstieg (äusserst geschmackvoll zum Glück – ich finde ja vieles mit Mitchell schon ganz gut, aber halt v.a. Aufnahmen aus den Fünfzigern, nicht zuletzt das Trio von Hampton Hawes) das Tempo fest und noch eine gute Minute kommt dann Jones an Besen dazu. Mittendrin ein feines langes Bass-Solo, bevor Flanagan dann wieder übernimmt. In Teil zwei Rahmen zwei Klassiker ein Original von Flanagan. Cole Porters „I Love You“ wird von Jones mit einem Latin-Beat eröffnet, Flanagan rifft dann erstmal ein wenig und bleibt auch nicht lange beim Thema, schmückt dieses gleich stark aus. Mitchell spielt ein paar double stops und fällt aber länger nicht recht in den Groove von Jones – und das finde ich ganz gut, weil es dem Flow, um den Flanagan selbst besorgt ist, etwas Widerstand bietet (ich möchte Mitchell ganz gerne mehr mögen – und klar, hier kriegt Jones sein Solo. Das Original ist „Rachel’s Rondo“, Pedal Point vom Bass, wieder eine Art Latin-Beat, und dazu ein Thema, das vermutlich wirklich eine Art Rondo-Form hat? Jedenfalls schraubt sich das immer wieder irgendwie hoch – und erst nach über eine Minute löst sich Mitchell von dem einen Ton und löst damit die Spannung auf. Das ist alte Schule, ein durchdachtes Arrangement, das ganz gut zu „Django“ und George Lewis passt, auch in der Kombination mit dem freien „blowing“, das dann folgt (was ja bei Lewis auch immer zu hören ist, auch wenn man’s manchmal vergisst oder es beim MJQ phasenweise etwas in den Hintergrund trat). Da ist dann auch Platz für Mitchell und für ein paar Runden Fours zu dritt. Mit einem Romp über „Things Ain’t What They Used to Be“ schliesst das Album, das wirklich ganz gut ist … aber ich höre das wie „Eclypso“ schon recht deutlich von den Favoriten weg.
Die nächsten zwei Alben kenne ich noch nicht … wobei mich das beim zweiten grad ziemlich irritiert, denn ich habe es soeben gesucht und nicht gefunden und dann erst in meine Liste geguckt. Das erste ist das Soloalbum „Beyond the Forest of Mirkwood“ von Ken (Kenny) Werner (der Titel wohl eine Anspielung auf den Stan Tracey/Dylan Thomas-Klassiker?), das zweite „The Free Will“ von Bennie Wallace, auf dem Tommy Flanagan am Klavier mitwirkt.
EDIT: Links hinterlegt zu den inzwischen auch noch angeschafften Alben.
David Liebman – The Opal Heart | Liebman unterm „spell“ von Coltrane mit Mike Nock am Klavier, Ron McClure am Bass (ab 1981 mit Liebman Teil der Gruppe Quest) und Ed Soph am Schlagzeug (auch auf Joe Hendersons „Barcelona“ dabei) … einst ein Zufallskauf, aber ich kann mich nicht an den Kontext erinnern. Es gibt sechs Stücke, je zwei von Lieb man und McClure, dazu „I Concentrate on You“ von Cole Porter und „Star-Crossed Loves“ aus der Suite „Such Sweet Thunder“ von Ellington/Strayhorn. Liebman und McClure spielen beide je einmal auf auf „Down Under“ (McClures Closer) an, „The Opal Hearted Aborigine“ heist Liebmans halber Titeltrack, der am Ende der ersten LP-Seite zu finden ist. Die Aufnahmen fanden am 21. und 22. Februar 1979 in Sydney statt, abgemischt wurde das Album dann von David Baker in New York, produziert hat ein gewisser Horst Liepolt (australischer Jazzproduzent, 1927-2019, wie Wikipedia mir sagt, ich habe den Namen noch nie gehört – interessante Biographie mit Jazz unter den Nazis in Berlin, 1951 nach Australien ausgewandert, irgendwie mit dem Sweet Basil und dem Lush Life in NYC verbunden … „his clubs“ sagt Wiki, ist mir aber unklar). Die Musik? Nach dem Coltrane’schen Opener ist „Port Ligat“, das erste Liebman-Original für meine Ohren ein erstes Highlight hier, eine nahezu magische Performance am Sopransax mit einem etwas rätselhaften Charakter und einem Stop-and-Go-Beat, aber sehr offen wirkend. Im zweiten Liebman-Stück spielt Soph eine Art Backbeat – und klingt dabei irgendwie wieder total flach, vielleicht einer der Gründe, warum ich mit „Barcelona“ einfach nicht warm werden mag? Aber das Stück geht wiederum seiner eigenen Wege und ist harmonisch recht attraktiv und irgendwie auch ziemlich funky. Das Porter-Stück wird über eine Art Samba-Beat präsentiert – das wirkt dann wieder ungleich konventioneller, auch wenn Liebmans Ton echt schön ist. Mike Nock kriege ich bisher nicht recht zu fassen, seine frühen Aufnahmen mit Yusef Lateef (1964 im Pep’s in Philadelphia) gehört zwar in meinen Olymp und das ECM-Album ist mir auch mir sehr lieb. Er macht hier auf jeden Fall gar nichts falsch, auch nicht im folgenden Ellington/Strayhorn-Duett mit Liebman. Mit McClures zweitem Original endet das Album – lyrisch, der Leader nochmal am Sopransax. Das alles klingt, wenn der Opener mal vorbei ist, nicht so nach verschwitzter Hartmännermusik, wie es das Foto auf dem Rückcover suggeriert (der Scan der US-Ausgabe auf Inner City ist der am schärsten geratene bei Discogs) – schieben wir’s auf den Sommer auf der Südhalbkugel.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #163: Neuentdeckungen aus dem Katalog von CTI Records (Teil 2), 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba