Antwort auf: Enja Records

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Yosuke Yamashita/Adelhard Roidinger – Inner Space | Ich hatte ein Album übersprungen vorhin, das gehört sogar noch vor das des Revolutionary Ensemble. Und noch davor gehörte „Outlaws“ hin, das Duo-Album von Jeremy Steig mit Eddie Gomez, das ich irgendwo haben muss, aber beim besten Willen nicht finden kann. Von „Inner Space“ habe ich die CD von 2014, wie neulich geschrieben ca. 2022 gekauft, aber noch gar nie angehört. Aufgenommen wurde das Album am 24. Juni 1977 im Europa-Sound Studio in Offenbach. Hier liegt Mal Waldron – oder auch das Duo von Walter Norris mit George Mraz – für einmal näher als Cecil Taylor: Das Spiel von Yamashita bleibt relativ konventionell, erst im zweiten Stück bricht er phasenweise in irre schnelle Läufe aus, lässt sich von Roidingers Bass und dem rascheren Tempo anspornen. Im dritten und letzten Stück der A-Seite, dem „Soft Waltz“, spielt Roidinger dann quasi das Waldron-Riff inkl. Fills (und das motivische/akkordische Material erinnert mich an ein anderes Stück, aber ich komme nicht drauf). Die zweite Hälfte des etwas kurzen Album besteht nur aus einem Stück, „Green Wave“, 18 Minuten lang und wie der ganze Rest von Yamashita und Roidinger gemeinsam komponiert. Hier ist mehr Raum, etwas zu entwickeln, aber so viel läuft dann irgendwie doch nicht. Ein paar Wechsel in der Intensität sind schon drin, Verdichtungen und Entspannungen, erst auf halbem Weg bricht Yamashita allmählich aus. Das bleibt insgesamt alles recht brav – und einen so besonderen Touch wie Norris/Mraz höre ich hier leider auch nicht.

Die Farbvarianten des Cover (Foto wiederum Winckelmann) sind hier ev. nicht intakt/vergilbt sondern Deutschland/Japan? Meine Japan-CD ist die oben, und es scheint, dass schon seit 1978, als die erste japanische Ausgabe herauskam, die Farben dort heller und wärmer waren.

Marvin „Hannibal“ Peterson – Hannibal in Antibes | Nach dem etwas verhaltenen Duo nun 40 Minuten Ekstase. 20. Juli 1977 live beim Festival in Antibes mit George Adams (ts, fl), Diedre Murray (vc), Steve Neil (b) und Makaya Ntshoko (d), der um die Zeit herum ein halber Enja-Hausdrummer war, wie mir gerade erst bewusst wird. Adams kriegt auf dem Rückcover ein kleines Portrait, statt Noten gibt es da wieder ein Statement von Hannibal, eine Aufforderung „For the musician“, in der auch der Satz steht, „Play so that even the heavens give you just retribution.“ Das farbige Foto auf dem Cover stammt überraschenderweise wieder von Giuseppe Pino. Adams legt im ersten Stück „Ro“ mit einem irren Solo los, über einen Bass-Vamp spielt er sich in die Stratosphäre – und er Bass klingt phantastisch! Wer ist überhaupt dieser Steve Neil, der u.a. auch mit Pharoah Sanders, Sonny Simmons oder etwas später Graham Haynes gespielt hat? Und Ntshoko gefällt mir wieder sehr gut, seine Fills auf der Snare kommen wie aus der Hüfte geschossen. Das Cello ist leider zu tief im Mix vergraben, um neben dem Bass richtig hörbar zu werden (ich hab die 2011er Enja Jazz Classics-CD, die Reihe gilt ja gemeinhin als nicht gut, mal schauen ob ich noch Ersatz auftreiben kann). Hannibal setzt nach einigen Minuten neu an, fast als beginne er nun ein zweites Solo. Die Drums verdichten sich zunehmend, während der Bass in immer dichten Drum-Fills dass Riff für kurze Zeit im doppelten Tempo spielt. Die zweite Seite enthält dann eine noch etwas längere Version des Traditional „Swing Low, Sweet Chariot“. Rubato-Einstieg mit Trompete über gestrichenem Bass und Cello (immer noch zu leise) – spanische Einfärbungen. Nachdem Peterson das Thema unbegleitet vorgestellt hat, beginnt die Rhythmusmaschinerie wieder zu riffen, Ntshoko deutet immer wieder einen Backbeat an – und dann ist plötzlich auch der Bass noch so halb off-mic. Die Unwägbarkeiten von Open-Air-Festivals (das „Air Above Mountains“ auch bei einem solchen mitgeschnitten wurde, würde man echt nicht erahnen). Nach knapp sieben Minuten ist das Trompetensolo durch, gestrichenes Cello tritt etwas in den Vordergrund – und gleich stösst Adams an der Flöte dazu. Dann folgt ein kürzeres Cellosolo, leider auch im Solo leiser im Mix als der Kontrabass, aber doch einigermassen zu hören. Der Leader gönnt sich zum Schluss ein zweites, rauschhaftes Solo und die ganze Band kommt nochmal gemeinsam in Fahrt. Und so, rauschhaft, ist das ganze Album. Ordentlich aufdrehen nicht vergessen!

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