Antwort auf: Enja Records

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gypsy-tail-wind
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Es heisst zwar Wahrnehmung, aber inwiefern diese Wahrnehmung wahr oder falsch ist, weiss ich nicht, ich versuche, sie als gegeben hinzunehmen ;-) – im Ernst: ich liebe die ersten zwei Columbia-Alben sehr (habe schon mehrfach erwähnt, dass ich mit dem dritten leider auch weniger anfangen kann), und als ich „Live in Tokyo“ kennenlernte, steckte ich da tief drin und war auch dabei, die MPS-Alben zu erkunden. Da hatte der Live-Mitschnitt aus Tokyo im Vergleich erstmal einen sehr schweren Stand, das war mir zu lärmig, zu unstrukturiert etc. Mit Free Jazz hatte ich da aber längst keine Berührungsprobleme mehr, es passte für mein Empfinden einfach weniger gut zu Mangelsdorffs grössten Stärken, die mehr mit melodischem Spiel zu tun haben.

Gestern:

Terumasa Hino – Vibrations | Auch eine eher jüngere Entdeckung … schon ein tolles Album, sehr offen und frisch, aber nicht ganz auf der Höhe von dem von Sato, mit dem es sich die Rhythmusgruppe teilt (Peter Warren/Pierre Favre). Finde ich zumindest, nicht zuletzt, weil man dem Quartett etwas oft die Vorbilder anzuhören scheint. Heinz Sauer ist auch hier sehr stark.

Alexander von Schlippenbach – Payan | Ich glaub, ich hab das doch schon mal angehört … es geht mir hier wohl ähnlich wie vorgarten: das Spiel klingt oft sehr hart, ich respektiere das mehr als ich es mag. Die „Fuge für Tante Lilli“ klingt nach Bach zum Einstieg, der Titeltrack erinnerte mich mit seinen endlosen Riffs dann tatsächlich ein wenig an Mal Waldron – ein Gedanke, den ich bei Schlippenbach nun echt noch nie hatte. So ergeben sich aus solchen Hör-Aktionen neue Verbindungen und das ist doch immer spannend! Alles in allem komme ich nicht umhin, das Album als des Grafen Etüden zu betrachten: Es wirkt auf mich, als habe Schlippenbach hier für jedes Stück eine Art Versuchsanordnung geschaffen, an der er sich dann fast methodisch abarbeitet. Erst im langen Closer bricht da dann richtig auf. Respekt, auf jeden Fall!

Jetzt:

Music Inc / Charles Tolliver, Stanley Cowell, Ron Mathewson, Alvin Queen – Impact | Das ist und bleibt ein Lieblingsalbum. Im Gegensatz zum Hino-Album oben scheint dem Gespann von Tolliver und Cowell (der in der Einführung – wer macht die, Jimmy Woode? – übrigens nicht „cauwell“ sondern „cowell“ ausgesprochen wird) stets völlig klar zu sein, wohin die Reise geht, die haben ihren Weg hier bereits gefunden und das ist sehr eindrücklich anzuhören. Ab dieser ersten CD-Ausgabe (2006) sind auch noch zwei lange Bonustracks dazugekommen, „Abscretions und „Our Second Father“, das erste Stück von Cowell, das zweite von Tolliver. Was ich mir noch gar nie wirklich überlegt hatte: das ist die Reise-/Taschenversion von Music Inc., mit gemieteter Rhythmusgruppe, oder? In den USA waren Steve Novosel oder Cecil McBee (b) und Jimmy Hopps (d) dabei. Alvin Queen lebte wohl 1972 längst in Europa und Ron Mathewson hatte auch keine so weite Anreise zu bewältigen. Dass das eine halbe Pick-Up-Band ist, merke ich der Musik allerdings echt nicht an. Ich finde das eins der eindrücklichsten Alben von Tolliver und auch eins der besten im Trompeten-Quartett-Format überhaupt. Sehr druckvoll, brennend intensiv, auch da, wo es wie in „Truth“ eher ruhig zu und her geht. Vielleicht sollte ich mir davon doch auch noch eine Japan-Ausgabe mit dem schönen Originalcover holen – die zwei Bonustracks sind da jeweils auch dabei (es gibt welche von 2018, 2021 und 2022, alle „Backorder“, vermutlich alle identisch einfach mit weiteren OBI-Strips drum herum und etwas wechselnden Preisen, aber alle um die 1000 Yen und damit ziemlich günstig).

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