Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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yaiza

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Abschluss der Schubert-Woche
So, 28.01.2024 im Pierre Boulez Saal

15.00 Uhr Workshop-Abschlusskonzert
Aiko Bormann, Michèle Bréant (Sopran)
Luzia Ernst, Catalina Geyer, Sina Günther, Maria Tilibtsev (Mezzosopran)
David Kennedy, Bruno Meichsner (Bariton)
Anna Gebhardt, Lucas Huber Sierra, Wan-Yen Li (Klavier)
Elitsa Desseva (Studienleitung, Klavier)
Thomas Hampson (Künstlerische Leitung)

Wolf Das Ständchen
Schubert An die untergehende Sonne D 457, Auflösung D 807, Die Götter Griechenlands D 677, Der Tod und das Mädchen D 531
Wolf Der Genesene an die Hoffnung, Auch kleine Dinge können uns entzücken, Mausfallen-Sprüchlein, Der Tambour
Schubert Auf dem See D 543, Der Winterabend D 938, Willkommen und Abschied D 767, Heimliches Lieben D 922
Wolf Der Gärtner, Zitronenfalter im April, Du denkst mit einem Fädchen mich zu fangen,Nimmersatte Liebe
Schubert Die Männer sind méchant D 866/3, Du liebst mich nicht D 756
Wolf Anakreons Grab, Auf einer Wanderung

Bereits am Fr.u. Sa. zuvor wurden die je 2h-Workshops mit den jungen Interpreten und Thomas Hampson aus dem Boulez Saal via Livestream übertragen. Ich hatte im letzten Jahr angefangen,diese zu schauen und freute mich, dass ich in diesem Jahr kurz zuvor, aber noch rechtzeitig daran dachte, mir eine Karte für das Abschlusskonzert zu kaufen. Da war kein Platz mehr im Parkett erhältlich und somit kam ich in die Gelegenheit, mal das Hörerlebnis vom Oberring/1. Rang aus zu testen. Im Block H angekommen (super Blick!) war schnell festzustellen, dass im Parkett noch sehr viele Plätze frei waren und wohl auch frei bleiben. Meine Sitznachbarn waren schon bei anderen Konzerten in der Schubert-Woche dabei und führten dann auch gleich den bundesweiten Bahnstreik an. Das war sicher schade für die, die auf eine Anreise per Bahn verzichten mussten. Es folgte ein sehr schönes Konzert (ca. 80min) mit abwechselnden Blöcken von Liedern die Franz Schubert und Hugo Wolf auf Texte verschiedener Dichter komponierten. Natürlich war es interessant, nun die Stimmen aus dem Livestream der letzten beiden Tage live zu hören. Ich kannte die meisten Lieder bisher gar nicht und ließ alles einfach auf mich wirken. Im Oberring kommt auch alles sehr gut an. Vom Vortrag her gefielen mir die beiden Sopranistinnen Aiko Bormann und Michèle Bréant sowie der Bariton Bruno Meichsner und die Pianistin Wan-Yen Li am meisten. Bei den Sängerinnen spiegelt es auch meine offensichtliche Vorliebe für Sopran bei Liedern mit Frauenstimme wider (zumindest stelle ich das immer mehr fest).

Gleich zu Anfang war mir aufgefallen, dass Konstantin Krimmel auch im Publikum saß. Ich überlegte, ob er vielleicht in den Workshop eingebunden war, aber in den Heften wurde er nicht genannt.
Kurz vor dem Abendkonzert beim Lesen des neuen Programmzettels dann die Auflösung: Samuel Hasselhorn war erkrankt und Konstantin Krimmel sprang für ihn ein. Zum einen sicher schade, nicht Samuel Hasselhorn hören zu können, aber bei Konstantin Krimmel spürte ich zumindest vom Radiohören her, dass er ein Top-Ersatz sein würde. Erst ca. 2 Wochen zuvor war ein Studiokonzert (BR) mit ihm und Ammiel Bushakevitz zu hören… Da habe ich noch gedacht, „na einen der beiden höre ich ja demnächst live“ :)
Vom geplanten Wolf-/Mahler/Schubert-Programm sind die 6 Lieder nach Heine aus dem „Schwanengesang“ sowie „Der Feuerreiter“ von Wolf ins neue Programm übernommen worden:

20.00 Konstantin Krimmel (Bariton) & Ammiel Bushakevitz (Klavier)
Schumann Fünf Lieder (A. von Chamisso) op. 40 Märzveilchen, Muttertraum, Der Soldat, Der Spielmann, Verratene Liebe
Loewe Herr Oluf op. 2/2; Der du von dem Himmel bist, Geisterleben (beide op. 9 Heft 1 Nr. 4+5), Der Totentanz op. 44 Nr. 3, Archibald Douglas op. 128
Wolf Der Feuerreiter, Gebet, Abendbilder
Schubert Sechs Lieder nach Heine aus D 957 Das Fischermädchen, Am Meer, Ihr Bild, Die Stadt, Der Doppelgänger, Der Atlas

Dieses Programm fand ich schon vom Blatt her sehr attraktiv. Zuerst Schumanns „Andersen“-Lieder und auf den anschließenden Carl Loewe-Programmteil freute ich mich sehr. Das kam auch so überraschend, mal wieder den „Balladenkönig“ zu hören.
Ich war zum ersten Mal zu Liedprogrammen im Boulez-Saal… Ich habe mich lange schwer getan mit diesem Saal. Anfangs hatte er bei Kammermusikabenden eine Hörsaal-Ausstrahlung auf mich; vielleicht auch, weil sich die Interpreten in der Mitte des „Ovals“ befanden, natürlich mit entsprechender Beleuchtung, und ich vom Platz meiner gewählten PK aus immer so einen Blick auf die ansteigenden Sitzreihen hatte. Nun stand das Klavier in der „Nordkurve“, die nicht besetzt und abgedunkelt war. An diesem Abend war nur der Bereich um Sänger & Pianist beleuchtet. Dies trug zu einer gespannten Atmosphäre bei. Konstantin Krimmel und Ammiel Bushakevitz hatten, so schien es, das Publikum von Anfang an in der Hand. Kein Mucks, kein Huster… es fiel gar nicht mehr auf, dass der Saal voll besetzt war. Auch ich merkte an mir, wie gespannt ich dem Vortrag folgte. Gut gefiel mir, dass die beiden den Loewe-Block gleich mit einem Highlight begannen. Ich habe zwei CDs zu Hause, auf denen „Herr Oluf“ ans Ende gesetzt wurde, aber diese sehr bekannte frühe Ballade funktionierte bestens als Einstieg in diesen Programmteil. Und auch durch die weitere Auswahl kam ich mir wie in so einer Schauerballaden-Runde vor und genoss es. In Loewe-Liedern geht es szenisch zu, da werden viele Situationen beschrieben und auch verschiedene Rollen gesungen. Konstantin Krimmel beherrscht das auf jeden Fall. Ich merkte nicht, wie die Zeit bis zur Pause verging. Toll war auch, dass tatsächlich nur nach den Blöcken applaudiert wurde, so dass sich eben auch eine konzentrierte Stimmung und wirkliche Zuhör-Atmosphäre ausbreiten konnte. (Im neu erstellten Programm war der Hinweis bzgl. Applauses nach den Liedgruppen nicht aufgenommen. Im Konzert am Nachmittag stand er unter dem Programm, wurde aber nicht beachtet.)
Im zweiten Teil knüpfte er mit „Der Feuerreiter“ von Hugo Wolf an die Stimmung zu Ende des ersten Teils an. Es kam mir wie eine Mini-Oper vor. Ich kannte von Hugo Wolf bisher fast nichts, bin aber auch durch die im anderen Programm gehörten Lieder am Haken. Das gefühlte Finale dann mit den Liedern nach Heine aus dem Schwanengesang. Ich wartete erst auf das Grummeln des „Atlas“, merkte dann aber eben schnell, dass die beiden die Reihenfolge umgestellt haben. Von der Dramaturgie kann ich es sehr gut nachvollziehen, „Die Stadt“ und „Der Doppelgänger“ ans Ende zu stellen und mit „Der Atlas“ zu schließen.
Nach kurzer Stille brandete der Applaus auf. Die beiden Interpreten fielen sich in die Arme und man sah nicht nur dem Publikum die Freude über diesen sehr gelungenen Abend an. Konstantin Krimmel bedankte sich, dass alle so zahlreich erschienen waren und nicht schon früher gingen. Ein „Das ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich“ schloss sich dann von ihm noch an. Als Zugabe trug er „Die Uhr“ von Carl Loewe vor. Nach weiterem Applaus stellte er das Publikum vor die Wahl. Wir haben etwas „Feuriges“ oder „Schauriges“. Während ich ja ans Schaurige dachte, kam von einigen aus dem Publikum aus Spaß die Antwort: „beides“… nach kurzem Blickkontakt ließen sich die beiden darauf ein und fragten noch zurück, mit welchem begonnen werden soll. Es folgte Schumanns „Belsatzar“ und das anschließende „Feurige“ habe ich leider nicht erkannt.
Nach den drei Zugaben stand das Publikum und dieser wundervolle Abend, der soviele Überraschungen bereithielt, fand dann durch das Anknipsen der Saalbeleuchtung ein Ende … vorerst… denn auf dem Weg durch’s Foyer oder auch Richtung Ausgang schwebte dann doch so manche gepfiffene Melodie durch den Raum (wie nach der „Dreigroschenoper“ im BE, Anfang Januar). Ich muss auch zugeben, dass sich der „Herr Oluf“-Ohrwurm bei mir wieder aktiviert hatte und sich noch die nächsten Tage hartnäckig hielt.

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