Antwort auf: Swing

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friedrich

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Swing Nachlese, Teil 3:


Benny Goodman – The King Of Swing (Aufnahmen 1935 – 39, Compilation 2002)

Eine weitere billige Compilation, die ich während einer früheren Swing-Begeisterungswelle gekauft hatte, und seitdem kaum gehört habe. Nur 14 Titel aus einer recht knappen Zeitspanne, die aber wohl ungefähr die erfolgreichsten Jahre Benny Goodmans – und vielleicht des Swings als populärer Musik? – sind. In dieser Form sicher alles andere als erschöpfend, aber wohl nicht verkehrt und gar nicht übel.

Ich könnte versucht sein, mich einer klischeehaften Vorstellung von Benny Goodman als einer etwas gefälligen, seichten und daher so populären Variante von Swing hinzugeben. Benny Goodman hat wohl nicht die Raffinesse von Duke Ellington, nicht den Swing von Count Basie und nicht den Glam von Artie Shaw, aber er hat Drive und Hitqualitäten, die vielleicht seine Popularität erklären. Ein toller Solist auf der Klarinette ist er sowieso.

Und er hatte auch tolle Arrangements, mindestens mit Harry James und Gene Krupa weitere tolle Solisten und eine messerscharfe Band. Und selbst diese nur 14 Stücke lassen auch eine ziemlich große musikalische Bandbreite erkennen. Der King Porter Stomp klingt nach New Orleans, zwei Songs mit Helen Ward bzw. Martha Tilton als Sängerinnen klingen nach einer „Sweet Band“ im Ballsaal, Bach Goes To Town ist eine Übung in Jazz goes Klassik und das knapp 9-minütige Sing, Sing, Sing nimmt in meinen Ohren Little Richard vorweg. Ich kann mit vorstellen, dass Eltern damals um ihre Sprösslinge bangten, wenn sie auf Benny Goodman-Konzerte gingen und verstehe irgendwie, dass die Nazis sich dadurch darin bestätigt fühlten, dass „die Juden“ mit dieser „Negermusik“ die „arische Jugend“ verderben wollten und daraufhin Swing verboten.

Interessante Biografie übrigens: Heute würde man sagen, Benny Goodman wuchs in sozial schwachen Verhältnissen mit Migrationshintergrund in einer kinderreichen Familie auf und arbeitete sich mit eisernem Willen und Disziplin, hart gegen sich selbst und andere, nach oben. Im Gegensatz zu seinem Konkurrenten Artie Shaw war er nur ein einziges Mal verheiratet, mit der Schwester des Columbia-Produzenten John Hammond. Insofern war er vielleicht eine weniger schillernde Persönlichkeit und mehr acceptable.

Ich frage mich, wieweit ihre jüdische Herkunft Benny Goodman und Artie Shaw (geborener Arthur Jacob Arshawsky) als Künstler und Musiker geprägt hat. War die Klarinette in ihrem Milieu so präsent, dass es nahe lag, selbst dazu zu greifen? Waren sie als Juden zwar einerseits soziale Außenseiter, aber „immerhin weiß“, so dass sie zwar zwischen den Stühlen saßen aber mit „schwarzer“ Musik beim weißen Publikum ankommen konnten?

Hier eine short version von Sing, Sing, Sing. Am Schlagzeug Gene Krupa:

Unter den Arrangeuren von Benny Goodmann sind Fletcher Henderson und Mary Lou Williams. Am Ende mischt sich irgendwie alles miteinander.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)