Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Zoot Sims Quintet – The Modern Art of Jazz | Das ist jetzt echt instruktiv: das Album von Al Cohn stammt vom Dezember 1956, dieses hier von Zoot Sims vom Januar desselben Jahres, und Bob Brookmeyer ist wieder der Partner. Die Rhythmusgruppe besteht aus John Williams, Milt Hinton und Gus Johnson. Das gibt – Hinton/Johnson – schon mal eine andere Gangart vor, härter swingend und fast ohne die leichten Umpa-Umpa-Dixie-Anklänge, die bei Cohn durch das modernistische Gewand hindurchschimmern. Hier wird geswingt, auch da, wo das Material (John Williams‘ „Down at the Loft“) durchaus eher in einer Linie mit dem Cohn-Programm ist. Es gibt auch bloss acht Stücke, in der Regel zwischen vier viereinhalb und fünf Minuten, drei davon aber sechs bis sieben Minuten lang (und – drum hab ich endlich diese CD gebraucht – zwei Bonustracks, nochmal knapp 11 Minuten Musik extra, „When the Blues Come On“ von Darwin/Cohn und „Buried Gold“ von Sims, erstmals auf dieser Blue Moon-CD von 1998 erschienen, Teil der sehr guten und wie mir scheint vorbildlich editierten Dawn-Serie von Fresh Sound/Blue Moon, wo einerseits manchess von den vier Jazzville-Alben anderswo untergebracht wurde, aber auch immer mal wieder Dinge ausgegraben worden sind, die zuvor noch gar nicht zu hören waren … wie auch immer die Katalanen daran gekommen sind … „under license of Biograph Records, Inc“ steht im Kleingedruckten, das könnte des Rätsels Lösung sein).

Williams ist ein ähnlich unberechenbarer Pianist wie Allison es um die Zeit war, es gibt eine Art Variante der weissen zweiten Bebop-Generation (Marmarosa, Albany, Wallington…), aber ohne deren Irre und deren Drittel falscher Töne, oft in relativ gleichmässiger Stakkato-Phrasierung dargeboten, recht linear (Bebop + Tristano?). Interessant auch Sims vs. Cohn. Sims spielt flüssiger, mit kompakterem Ton, etwas weicher, etwas mehr angedeutetes Vibrato – so im direkten Vergleich wirkt der Ton etwas kleiner – Brookmeyer wirkt im Kontrast härter, etwas dominanter im Vergleich mit dem Auftritt an Cohns Seite (aber in beiden Fällen ist das sehr ausgewogen, sind alles nur Nuancen). Und klar, Hinton/Johnson sind Schwergewichte, haben viel mehr Wumms als Kotick/Stabulas, die quasi die perfekte Ergänzung zum Piano sind, während Hinton/Johnson eher einen tollen Kontrast bieten. Das Material ist zwar gradliniger, neben drei Originals von Sims gibt es das eine erwähnte von Williams, eins von Johnson/Brookmeyer und drei Standards („September in the Rain“, „Ghost of a Chance“, „Them There Eyes“). Statt coolen Bop – und eben leichte Dixieland-Anklänge – gibt es hier fliessenden Swing in der Basie-Tradition, die mit Gus Johnson ja tatsächlich auch in der Band vertreten ist: er war der erste Drummer der New Testament Band, war davor schon im Basie-Oktett 1950/51 am Schlagzeug und blieb bis 1954, bevor Sonny Payne ihn ablöste.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba