Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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gypsy-tail-wind
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Ein kleiner Vocaljazz-Nachtrag – das Epic-Album, mit dem diese Compilation von Joe Carroll öffnet, ist exzellent, und ich hörte es gerade zum ersten mal überhaupt. Es gibt drei Sessions mit wechselndem Personal: vier Stück mit Jim Oliver, Ray Bryant, Jimmy Rowser und einem Charles Blackwell (Discogs sagt, das sei der hier), vier mit Jimmy Cleveland, Seldon Powell, Bryant, Milt Hinton und Osie Johnson, und vier mit Cleveland, Urbie Green, Hank Jones, Oscar Pettiford und Johnson. Das ist quasi eine lineare Entwicklung von rockendem R&B zu elegantem Bebop: Jim Oliver steuert sehr tolle, ziemlich ruppige Tenorsax-Soli bei, Bryant ist bluesy wie üblich … Powell ist geschliffener, Cleveland aber auch dazu nochmal ein guter Kontrast … und die 2-Posaunen-Session mit dem noch eleganter-flüssigeren Urbie Green und der auch anders gearteten Rhythmusgruppe bietet nochmal einen anderen Sound. Carroll it super, oft am Herumalbern, klar, aber die Stimme ist toll, die Delivery phantastisch! Es gibt hier erstaunlich viele Standards, die Carroll sich allerdings aneignet und gerne auch vom Text her etwas ausschmückt: „It Don’t Mean a Thing“, „Lady Be Good“, „St. Louis Blues“ und Bobby Troups „Route 66“ … „Jeepers, Creepers“ und „Honeysuckle Rose“ schlagen quasi die Brücke zum Bebop-Material, das von Carroll/Bill Graham, Will D. Cobb/Gus Edwards, Ed Swanson [Swanston wohl]/J. Leslie McFarland und Tiny Grimes/Edgar Battle stammt.

Die CD springt dann zu seiner Prestige-Session vom 30. Dezember 1952 mit Bill Graham am Barisax, Swanton [Swanston wieder?]), Peck Morrison und Al Jones – auch da gibt es vier Stücke, darunter auch wieder ein Standard, „Pennies from Heaven“, zwei Originals von Carroll und ein Song von Eddie Barefield/Harry Weinstein. Von den Vogue-Sessions im Februar 1953 gibt es dann fünf Stücke, natürlich mit der Band von Dizzy Gillespie, mit der Carroll unterwegs war, und zu der Graham, Wade Legge, Lou Hackney und Jones gehörten. Auf drei der Stücke ist die Band mit Gillespie und Nat Peck dann vollständig dabei. Das Zeug ist so gut, dass ich wohl die zugehörigen Gillespie-Aufnahmen auch mal wieder hervorkramen muss – die haben mich nie so recht gepackt, die Band fand ich immer nur mittelprächtig – auch wenn Gillespie in Form ist. Graham kriegt auf diesen Carroll-Tracks – v.a. auf der Prestige-Session – jedenfalls viel mehr Raum oder weiss den viel besser zu nutzen, als ich das von den Vogue-Aufnahmen in Erinnerung habe, die Gillespie 1953 machte. Im letzten der Stücke, „Always“, spielt Gillespie nicht nur sondern singt auch noch zusammen mit Carroll. Davor gibt es eine ganz gute Version von Mary Lou Williams‘ „In the Land of Oo-Bla-Dee“.

Die CD bietet dann nochmal sechs Stücke, die als Bonustracks bezeichnet werden. Diese stammen nun von Gillespie-Sessions, die ersten beiden vom Februar 1952, als die Band noch mit Milt Jackson (vib/p) und Percy Heath statt Legge/Hackney für Dee Gee ins Studio ging. Die vier folgenden dann vom Juli 1952, als Wynton Kelly und Bernie Griggs an p/b übernommen hatten – hier fehlt leider das fünfte Stück des Session, „They Can’t Take That Away from Me“. Dazwischen – Februar bis April 1952 – war Gillespie bereits in Europa und hatte dort neben einigen Europäern und Us-Expats auch mit Don Byas gespielt – die eigene Combo brachte er erst 1953 mit, glaub ich.

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