Antwort auf: Musik im Wandel der Zeit: Wie Musik sich verändert

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herr-rossi
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jesseblueIch arbeite mit Kindern und habe deswegen aktive Einblicke in das Schulgeschehen. Und die Resultate der neuesten PISA-Studie lassen mich deswegen leider wenig überraschen. Das Bildungsniveau, das natürlich durch verschiedene Faktoren bedingt ist, ist an vielen Schulen verheerend. In der Grundschule bereitet es vielen Schülern arge Schwierigkeiten, komplexe Sätze zu bilden und fehlerfrei zu sprechen. Eigentlich sollte dies mit dem Schuleintritt in der Regel beherrscht werden. Dazu kommen marode, sanierungsbedürftige und schlecht ausgestattete Schulen sowie ein Fehlen an pädagogischen Fachkräften. Und nicht zu vergessen die mangelnde Unterstützung seitens der Eltern. Natürlich ist das nicht allgemein zu verstehen, diese Defizite sind aber sehr auffällig und kein regionales Problem. Und wenn ich hier die Brücke zur Musik schlagen darf: Die uneingeschränkte Verfügbarkeit an Musik, die mit minimalem Aufwand fast schon bezugslos konsumiert werden kann, passt für mich ins Bild. Es bedarf keiner Anstrengung mehr, keiner aktiven Auseinandersetzung. Und Künstler wie Apache 207, bei allem Respekt, klingen, wie 12jährige auf dem Pausenhof sprechen. Eventuell funktioniert die Musik deswegen für viele gut, aber bei mir erzeugt es Grauen und klingt nach Niveauverlust.

Danke für die Erläuterung, aber wo soll man da jetzt wieder anfangen? Dass es eine Bildungskatastrophe gibt, müssen wir nicht diskutieren. Weißt Du, wann der Begriff „Bildungskatastrophe“ schon mal in aller Munde war? In den Sechziger Jahren. Man hat damals mit grundlegenden Schulreformen und einem beispiellosen Ausbau des Hochschulwesens reagiert. Diesen Reformwillen bräuchten wir heute wieder. Warum ich das erwähne ist aber, dass die moderne Jugend- und Popkultur genau unter diesen Bedingungen der Bildungskatastrophe ihre erste Blütephase erlebte („I learned more from a 3 minute pop song than I learned in school“ …).

Es ist der Wesenskern der Popkultur, die Sprache der Jugend zu sprechen. Der Zugang zur Popkultur ist immer erstmal intuitiv. Man will Spaß haben, man will tanzen, mal will sich „kuhl“ fühlen, man will sich verstanden fühlen, man will seine Gefühle verstehen. Offensichtlich gelingt das aktuell den Künstler:innen, die ich vorgestellt habe. Und ich mache mir da keine Sorgen, denn eine Nina Chuba beispielsweise schreibt mit Co-Autoren durchaus interessante Texte mit überraschenden Bildern (Tracksuit Velours). Ich halte auch Apaches Texte für durchaus hörenswert (Schimmel in der Villa), und wenn man sich mit ihm beschäftigt, erscheint es völlig naheliegend, dass er ein Duett mit dem OG unter Deutschlands Kunstsprachen-Manieristen aufgenommen hat und damit den erfolgreichsten deutschsprachigen Song der letzten Jahre gelandet hat. Und obwohl es in Komet eigentlich gar nicht um jugendspezifische Themen geht, traf das offensichtlich einen Nerv.

Unter „Komet“ kann man viele Kommentare lesen, warum der Song Menschen bewegt, der passt hier besonders gut:

„Worked at a circus with a lot of children and whenever we ate lunch, they all started singing this song. It reminded me of the community and fun I had as a child. And it made me realise how great those kids were and how much I actually appreciated being able to work there, even tho it was hard.
This song will probably always stay in my mind as the first song the kids sang, when I worked for the first time in my life :D“

Hoffe, Du hast solchen Spaß auch mal mit den Kids, mit denen Du arbeitest, auch wenn es unter Deinem Niveau ist.

Für mich wäre solche Musik ein Trennungsgrund.

Ich weiß nicht, ob du es dir bewusst bist, aber da klingt manchmal ein unschöner Dünkel an in deinen Formulierungen.

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