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bullschuetz@roughale Schön beschrieben, ich kann das auch durchaus so nachvollziehen. Mein Problem ist, glaube ich nach längerem Nachdenken, weniger eines des Sounddesigns. Was mir an Cashs Aufnahmen mit Rubin gefallen hat, war, dass da erkennbar einer sang, der eben nicht mehr der Cash der 60er-Jahre war, sondern ein Mensch, der aus dem Hier und Jetzt heraus tönte, erkennbar als Gealterter, als jemand, der viel hinter sich hat. Oder Cohens letztes Werk: eine Meditation über den Tod. Oder Dylans jüngstes Album: Eine Reflexion über die Lehren eines langen Lebens, auch über den eigenen Platz in der (Musik-)Geschichte. Das waren und sind alles Alben, die einen Moment in der Zeit, in der eigenen Biografie thematisieren, vollgesogen mit Tradition, klar (und gut so), aber eben auch Zeugnisse einer lebenslang nicht zur Ruhe kommenden künstlerischen und menschlichen Suchbewegung. Bei den Stones nehme ich eher eine Art Peter-Pan-Syndrom war: Die Stones treten mir als Kunst- oder böse gesagt Comicfiguren entgegen, die wie Asterix auch nach 30 Heften keinem Alterungsprozess unterliegen; sehr ansehnliche Abziehbilder ihrer selbst sozusagen, dasselbe wie immer, nur soundtechnisch dezent aktualisiert. Jagger klingt, wie er schon immer klang, und dazu räkelt sich im Video-Auto die junge Frau. Ins Positive gewendet, kann man das „zeitlos“ nennen. Aber ich frage mich halt: Warum lege ich da nicht gleich Exile auf? Wie gesagt, das Album ist ehrenwert und Pitchfork zu streng. Nur fesselt mich persönlich das halt als künstlerisches Statement nicht. Ich weiß nicht recht, was ich dazu sagen soll außer: „Geil. Die Stones halt.“ Ich verstehe komplett, wenn jemand sagt: „Reicht doch! It’s only Rock’n’Roll and I like it!“ Mir persönlich reicht es eben nicht, um mich elektrisiert oder herausgefordert zu fühlen.
Sehr interessanter und guter Post, wie ich finde.
Ich empfinde das Album in erster Linie als Geschenk und es gibt mir insgesamt ein wohliges Gefühl diese Platte zu hören. Wie eine Familie, die immer noch da ist und sich bei mir gemeldet hat Wenn ich das Album jedoch ganz rational betrachte, fällt mein bisheriges Resümee eher durchwachsen aus. Es gibt vieles auf der Platte, was ich mag. Die „No Expectations“-Referenz auf Dreamy Skies, die Power von „Bite my Head off“ und selbst „Angry“ ist bei mir gewachsen in den letzten Tagen. Aber auch ich habe mich beim Hören des Albums bei der inneren Frage ertappt, wie ich diese Platten wohl bewerten würde, wenn es eben nicht die Stones wären, die bis 1972 Bigger than Life und bis 1978 immer noch sensationell gut waren und die mir so ans Herz gewachsen sind. Würde ich einen Song wie „Get Close“ oder „Depending on You“ überhaupt ein zweites Mal hören oder würde ich ihn als völlig belanglos abtun. Für mich sind das bislang jedenfalls klare Füller, die sich in meinen Ohren nach Mainstream- Formatradio anhören. Was auch der Produktion geschuldet sein mag, die für mich dann doch zu glattpoliert, etwas zu laut und zu mainstreamig ist. Und auch noch nicht mal modern-aufregend klingt, sondern eher wie Rockbands von vor zehn bis zwanzig Jahren.
Aber wie gesagt, ich möchte die Platte gar nicht schlecht reden. Ich habe großen Spaß daran, sie zu hören und zu schauen, wie sie sich bei mir entwickelt und freue mich wie ein Kind, wenn ich z.B. das gemeinsame Foto der Stones mit McCartney sehe.
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