Antwort auf: THE ROLLING STONES – Hackney Diamonds (20.10.2023)

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j-w
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maximum rhythm & blues

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Natürlich hat es noch nie eine so lange Pause zwischen zwei Stonesalben mit neuem Material gegeben wie jetzt seit „A bigger bang“. Aber immerhin gab es ja 2007 „Blue and lonesome“ und mit den „Grrr“-Tracks und „Living in a ghost town“ auch neue Songs zwischendurch. Vor allem gab es die ganzen Neuüberarbeitungen von Tracks aus den 70s, die auf den Reissues von Exile, Some Girls und Tattoo You erschienen. Insofern gab es sehr wohl in der Zwischenzeit neue Songs, ziemlich gute sogar. Aber trotzdem war das kein „Album“, das man in den Kanon einreihen konnte, ranken und raten – the lot.

Und nun ist es doch da und es ging dann doch relativ schnell. Und das Marketing war sowas von spot on – da wurde wirklich auf allen Saiten des Werbeklaviers gespielt und das ganze so zeitgemäß wie möglich. Vielleicht bekommen die Stones so wirklich die Möglichkeit noch mal junge Musikhörer, die eine Veröffentlichung eines neuen Stonesalbums noch nicht bewusst miterlebt haben, frisch zu erwischen.

Was würden sie hören? Auf jeden Fall eine Band, die alles andere als alt klingt. Daran hat natürlich auch der gewaltige Bumms, den Steve Jordan als Drummer mitbringt, zu tun. Aber auch bei den zwei Songs, auf denen Charlie Watts noch zu hören ist, klingt die Band frisch. Der maßgebliche Faktor liegt jedoch in der Person von Mick Jagger, der mit seiner Energie und seinem noch immer fantastischen Gesang der Band eine Aura der Zeitlosigkeit gibt. Genauso, wie er immer noch leicht über die Bühnen tänzelt, überzeugt er auch als Sänger und vor allem als Songwriter.

Aber auch die Keefnummer („Tell me straight“) klingt sehr vital, vor allem vom Gesang her. Und da kommen wir zu der nächsten Zutat, die diesem Album zugute kommt: „Hackney Diamonds“ ist das erste Stones-Album seit „Goats Head Soup“, das nicht von The Glimmer Twins aka Mick’n’Keith produziert wurde, sondern diesen Credit vollständig an Andrew Watt abgibt. Und Watt interpretiert die Rolle ähnlich wie damals Jimmy Miller – er spielt auch Gitarre, Bass und Keyboards auf den Tracks – etwas, das Chris Kimsey und Don Was, die neben den Glimmer Twins in den letzten Jahrzehnten als Produzenten fungierten, nicht taten.

Und Watt hat auch drei Songs Credits als Komponist, auch dies ist ein Novum in der Welt der Stones! Mit Watt waren sie in der Lage dieses Album schnell und auf den Punkt aufzunehmen und das Momentum, das durch Charlies Tod und die vorher schon angelegte Injektion der Power von Steve Jordan entstanden ist, festzuhalten.

Die beiden Vorabsingles „Angry“ und „Sweet sounds of heaven“ wurden gut gewählt um die Fans optimal auf das Album einzustimmen. Es ist kein einziger schwacher Song auf dem Album. „Dreamy skies“ ist eine wunderbare Countrynummer, die auf den letzten Takten des Turnaround an „Short and curlies“ erinnert und die Stones in ihrer rauen Countrymaske überzeugend zeigt. „Bite my head off“ ist die wilde Rocknummer, die tatsächlich von Paul McCartneys aggressivem Bassspiel profitiert. Interessant sind die beiden Songs, an denen Charlie noch die Drums spielt. „Mess it up“ fängt wie ein klassischer Stonessong an und wird im Chorus dann plötzlich auf eine Art und Weise funky, die man sonst eher von Jagger-Soloplatten kennt. „Living by the sword“ hat natürlich als besonders Bonbon noch Bill Wyman am Bass und ist ein mid-Tempo-Rocker in bester Stones-Manier mit allen Zutaten, die man sich von der Band wünscht einschließlich wunderbarem Gitarrengewebe von Keith und Ron.

„Whole wide world“ wäre auch ein guter Kandidat für eine Single mit einem Sound, der ihn als Stonestrack erkennen lässt, aber auch noch genug Elemente in der Produktion hat, die ihn modern erscheinen lassen – ein wenig wie damals „Rock and a hard place“ – Jagger, und zwar vom feinsten! Zum Abschluss gibt es dann noch einen echen Höhepunkt – Mick und Keith spielen Muddy Waters‘ „Rolling Stone Blues“ und sie machen es richtig gut.

Ob es nun das beste Stonesalbum seit (bitte ausfüllen) ist, kann man nach so kurzer Zeit noch nicht abschließend sagen, aber es ist auf jeden Fall ein großartiges Lebenszeichen der auf den letzten Metern noch mal grunderneuerten Band!

 

 

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Staring at a grey sky, try to paint it blue - Teenage Blue