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vorgarten
danke, ich habe mich das gefragt, wie man die musik ohne die bilder dazu hört. was mich bei „neuen“ stummfilm-scores oft nervt, ist, dass sie mit leitmotiven arbeiten, so kleiner figuren, auf die immer wieder zurückgegriffen werden kann – was ja aus der traditione der live-klavierbegleitung kommt. frisells/driscolls/barons soundtrack versucht mehreres auf einmal, es gibt verdoppelnde effekte (baron schlägt immer dann eine triangel an, wenn damit im bild zum essen geläutet wird), die leitmotive (keaton als verrutschter cowboy in einem fremden „westen“), dann aber auch improvisierte strukturen, die sich ein stück weit vom filmgeschehen lösen. keatons ästhetik ist für all diese interpretationen sehr dankbar, es gibt ziemlich unmittelbar zündende gags, eine melancholische grundstimmung und längere szenen, in denen sich etwas entfalten kann. das passt schon alles sehr gut, vor allem zur idee der halbironischen identifizierung mit weißer us-folklore.
ich glaube, ich mag einfach dieses trio nicht so sehr, deshalb war ich ganz dankbar, dass ich den film direkt dazu schauen konnte (steht direkt auf der wiki-seite zum film als stream online).
Interessant! Wenn man sagt „Filmmusik“, denkt man schnell mal an atmosphärische Hintergrundmusik oder an prägnante Motive, die für bestimmte Figuren oder Szenen stehen. Bei Musik für Stummfilme – oder jedenfalls bei Frisells Buster Keaton-Scores – ist das aber größtenteils anders. Diese Musik spiegelt den Film und hat dadurch einerseits eine sehr starke eigene Präsenz, ist andererseits aber nicht immer leicht vom Film zu trennen und umgekehrt.
Andere aktuelle Soundtracks zu Stummfilmen kenne ich gar nicht.
„Halbironische Identifizierung“ ist schön gesagt. Oder „reflektierte Aneignung“?
Bloß mal ein bisschen laut nachgedacht.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)