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jesseblueDas Wörtchen Schund gehört doch längst zur Forums-Folklore und nimmt in unserer Verwendung sicherlich keinen Bezug auf den historischen Ursprung.
Weiß ich, aber gelegentlich muss man vielleicht doch daran erinnern.:)
Seit den späten Fünfzigern sind Jugendliche zur Zielgruppe der Popularmusik geworden. Und auch wenn meine Jugend schon ein paar Tage zurückliegt, ist diese Phase weiterhin eine sehr spannende Zeit für mich. Vor allem auch, da Musik für Jugendliche als Opposition fungieren und den Prozess der Abkapslung von den Eltern hin zur Zuwendung zu Peers begünstigen kann. Der Aufbrauch, die Resignation, die Rebellion, das Ausloten von Grenzen, das Überschreiten von Grenzen, das Ausprobieren, das Anecken, das Scheitern, die Liebe und der Kummer – sich einfach neu zu ordnen und zu orientieren. Ich stelle mir gerade vor, welche Wirkung Anfang der Neunziger Nirvana auf Jugendliche gehabt haben müssen. Mind blowing! Und auf der anderen Seite K-Pop. Wie langweilig muss die eigene Jugend sein, sich für diese Musik als Soundtrack des Heranwachsens zu entscheiden? K-Pop ist wie weiße Regale – brauch ich beides nicht.
„Jugend“ ist ja ein soziales Konstrukt des 20. Jahrhunderts und speist sich aus dem Wunsch nach einer eigenen, sich von den Erwachsenen unterscheidenden Kultur und Lebensart. Die Industrie hat sehr schnell erkannt, dass sich damit eine Menge Geld verdienen lässt, denn die jungen Leute wollen ihre eigene Kleidung, ihre Musik, ihre Zeitschriften, ihre Filme, Genussmittel usw. usw. Jugendkultur und damit einhergehend Popkultur damit damit von Anfang in dem Spannungsfeld zwischen Andersseinwollen und Konsum. Insofern passt K Pop nahtlos in die Ahnenreihe, denn er bietet ja eine komplette Welt, in die man eintauchen kann, wo der verständnislose Erwachsene nur Bonbonfarben und tanzende Kids sieht.
Die Uniformität, mit der einem Rock als einzig wahres und mögliches Vehikel jugendlichen Lebensgefühls aufgedrängt wird, hat mich als Jugendlicher in den frühen 80ern schon sehr irritiert. Ich war auch damals schon links, fühlte mich in meiner jugendlichen Selbstfindung aber von ABBA und New Romantics verstanden und nicht von Lederjackenträgern, das waren für mich die Mobber vom Schulhof, die einen als Opfer ausguckten, wenn man ein Bücherwurm war, der Mädchenmusik hörte. Dass Rock auch dafür gut sein könnte, sein eigenes Jungsein zu bejammern (oder sein früheres Jungsein zu verklären), habe ich tatsächlich erst später verstanden.;)
Insofern kann ich die Faszination K Pop durchaus verstehen.
Deine lange Zitatensammlung wäre übrigens nicht nötig gewesen, das ist ja bekannt und die ARTE-Doku spricht alles auch an, versucht aber ebenso, die Faszination und Eigenart des Phänomens zu verstehen.
K Pop ist tatsächlich auch eine hochprofessionalisierte Industrie, in der junge Menschen enormen Strapazen unterzogen werden und sich unterziehen (auch dafür Beispiele in der Doku), um den Leistungsanforderungen gerecht zu werden. Wir kennen und akzeptieren das aus dem Hochleistungssport – oder auch aus der klassischen Musik.
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