Antwort auf: Ich höre gerade … klassische Musik!

#12120199  | PERMALINK

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gypsy-tail-windDanke – dass das auf Tchaikowsky gemünzt war, hatte ich vermutet, aber den Ausdruck wohl wirklich noch gar nie gehört.

Ist m. W. auch wirklich eher in Süddeutschland und Österreich gebräuchlich, oder @soulpope? Habe gerade in einem Variantenwörterbuch des Deutschen nachgeschlagen, da ist tatsächlich eine positive Konnotation verzeichnet: „Person, die von etw. sehr begeistert ist (meist als Grundwort in Zus., z. B. Bergfex, Naturfex, Sportfex)“ Dieselben Beispiele werden anderswo mit der negativen Bedeutung vorgebracht. Anyway, wenn der Setter hier lustigen Unfug treibt, muss er sich auch Fex gefallen lassen.

Am Nachmittag gab es die Klavierquartette von Brahms mit Laredo et al (Stern an der Geige, Laredo an der Bratsche):

Ah, die kenne ich auch, hatte ich vergessen, obwohl ich sie ganz gut finde, vermutlich wegen Ax und Stern, muss ich noch einmal mit Konzentration auf Laredos Stimme hören.

Deine Notizen zu Gitlis lese ich natürlich mit Interesse – wie auch drüben die umfangreichen tollen Besprechungen der Demy-Filme, ich fürchte nur, dass ich für ein solches Ausmaß an Gesang im Film ungeeignet bin, das ging mir schon bei Rivettes Haut bas fragile so.

@soulpope Zu Bruckner. Ich vergaß den Dank für die Anmerkungen zu Sawallisch. Ich habe die Sechste noch einmal mit Wand (NDR-Sinfonieorchester 1995, Hamburg, Live-Mitschnitt) gehört, genauer: nur den ersten Satz. Der späte Wand ist mir eigentlich nah, aber herausgekitzelt hat Celibidache hier doch mehr. Insgesamt, momentanes Fazit, ist die Sechste aber, vor allem in ihrer Umgebung bei Bruckner, wie Du ja andeutest, mir (motivisch, womöglich sogar motivational) zu spröde. Jetzt bleibt nur noch Gielen, um für den Moment mehr zu „retten“. – Und was das Schweigen etc. betrifft; dahin sollte es nicht gehen, aber was tun bei all der Ratlosigkeit – die ist es, die sich bei mir einstellt. Nein, längst ein- und festgestellt hat. Als Moos des Schweigens, auf dem man laufen und sprechen muss.

Vermutlich traurig, aber wahr: Erstbegegnung mit Erwin Schulhoff:

Bei solchen Titeln gehe ich normalerweise einen Schritt zurück, aber hier bin ich doch froh, die CD mitgenommen zu haben. Gespielt wird – und 1942 bedeutet Tod in einem Lager (Wülzburg) an Tuberkulose:

(Bei den Bildern auf discogs ist auch das informative Booklet zu finden.)

Concertino und Sonate könnten auch den Zusatz haben: Stücke im Volkston. Das Booklet spricht für die Sonate auch von Jazzeinfluss, was ich noch nicht höre, aber das liegt ganz sicher an mir, da die Jazzattraktion von Schulhoff auch sonst intensiv belegt ist. Diese beiden Werke habe ich aber auch erst einmal gehört und das fällt schon auf: eine offensichtliche, dabei völlig unaufdringliche, wie selbstverständlich erscheinende Integration, ein Zusammengehen unterschiedlichster Stile – oder Musikdialekte.

Concertino und Sonate erst einmal gehört, weil es mich vor allem zum Streichsextett gezogen hat. Und dieses nun mehrmals – den ganzen Tag gearbeitet, aber zum Glück nur Zeugs, bei dem Musik möglich, wenn nicht sogar notwendig ist. Was fällt mir dazu ein? Bedrohlichkeit, Zurücknahme, Vorangehen auf unbegehbarem Boden, so etwas. Der Beginn könnte ohne Weiteres Musik für Godards apokalyptische Bildzitate in den Histoire(s) sein. Das Werk ist nicht ausufernd, gar nicht, drei der vier Sätze sind um die 6 Minuten, der dritte Satz, eine Burlesca, 3 1/2 Minuten lang. Nicht das, was man von Schostakowitsch kennt (obwohl ich ihn hie und da assoziiere), eher Bartók, und tatsächlich für meine Ohren sehr stark. Und dann kommt atmosphärisch noch Schumann dazu, was mir vermutlich jeder Musikwissenschafter (ja, das L kann man weglassen, Chargaff hat mich drauf gebracht, was soll es in dem Wort überhaupt, man sagt ja auch nicht „Musikler“). Ich nenne die Namen nur, um mich selbst zu orientieren, nicht mit irgendeiner musikologischen Absicht, kann ich nämlich nicht. Aber sie sind, mit Schönberg, für mich alle darin und wieder wie beiläufig und selbstverständlich integriert. Integriert zu Schulhoff. Also eine präzise Faktur, die sich seltsam weit öffnet, wenn man sie zum Klingen bringt. Und wenn jemand ein Werk mit einem „Molto Adagio“ beendet, dann hat er – oder sie – mich ohnehin meist. Das Verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen, als stellten sich Skrupel ein. Man kann das Sich-selbst-Weghauchen sicher auch anders interpretieren, direction „weihevoll“. Das ist es hier nicht, fast macht Schulhoff noch zu viel, wenn man den Vergleich zu Mahler IX zieht, wie das Booklet nahelegt. Also, ich muss mit Schulhoff weitermachen. Welche sind Eure Erfahrungen?

Die drei Werke sind übrigens 1925 (Concertino), 1927 (Sonate) und 1924 (Streichsextett) entstanden.

Und:

Ein Liedzyklus über, ach was, Liebe und Tod (das bedeutet „Harawi“). Teil 1 von Messiaens Tristan-Trilogie – das musste ich mir erst anlesen, wusste ich nicht. Gehört habe ich bisher nur ohne einen anders als nur flüchtigen Blick in die Texte – französische Zeilen, peruanische (Quechua, sagt das Booklet) geworfen zu haben, sondern bin nur diesen Ausbrüchen von Sigune von Osten gefolgt, die mit Pi-Hsien Chen 1993 eine Kollaborateurin (im guten Sinn, den gibt’s ja auch) erster und fordernster Güte an der Seite hat. Dazu werde ich mehr schreiben, wenn ich die Zeit fürs „Auf-der-Stuhlkante-Hören“ finde. Aber das ist wohl ein Liedzyklus, der in die Gesellschaft der anderen großen gehört.

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