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Vielleicht ist Adèle Charvet die Nachfolgerin von Eva Zaïcik für Gesangsprojekte des Ensembles Le Consort, das vom Geiger Théotime Langlois de Swarte geleitet wird und zu dem auch Justin Taylor gehört, der bei alpha auch bereits als Leader anzutreffen ist. Für Charvet ist das das zweite Album nach einem Lied-Programm mit Susan Manoff am Klavier, für Le Consort Album Nummer fünf, Nummer drei mit Gesang-Solistin (die ersten zwei eben mit Zaïcik). Das Programm besteht aus Arien aus Opern, die fast alle mit dem Teatro Sant’Angelo in Venedig verbunden sind, das wiederum eine Art Gegenentwurf zu den Bühnen der Aristokratie bot. Lebendiges, unterhaltsames Theater, schnell produziert und zwangsläufig billig (heisst: mit viel Improvisation), knallig (die Bühnenbilder, der Bär, die Fechtkämpfe, Zauberer, Akrobaten und Komiker, die bei Bühnenumbauten auftraten), impulsiv (der Geist, der zu den Ohrfeigen führte, die sich Cuzzoni und Bordoni später in London gaben, sei im Teatro Sant’Angelo entstanden, meint Olivier Fourés in den Liner Notes). Vivaldi war zusammen mit seinem Vater Impresario und führte ab 1705 diverse seiner Opern hier erstmals auf. Statt teurer Kastraten wurden Frauen zum Singen (auch von Männerrollen, logisch) engagiert, statt arrivierter Komponisten junge Talente angeheuert, etwa Fortunato Chelleri (1690-1757) oder Giovanni Alberto Ristori (1692-1753). Zudem tauchten auch Verwandte im Spielplan auf, darunter Michelangelo Gasparini (1670-1732) und Giovanni Porta (1675-1755), von denen je eine Arie am Anfang („Il mio crudele amor“ aus „Rodomonte sdegnato“ von Gasparini ist ein betörender Einstieg!) und Ende der CD zu hören sind. Dazwischen finden sich diverse Stücke von Vivaldi, Chelleri und Ristori – von denen von Vivaldi abgesehen sind alle Arien Ersteinspielungen (auch die grad genannte von Gasparini also, und eine Vivaldi-Premiere, eine Arie aus „Arsilda, Regina di Ponto“, RV 700, ist auch dabei). Instrumentale Zwischenspiele gibt es nur ein einziges, das Adagio aus Chelleris Triosonate g-Moll (keine Ersteinspielung). Sonst sorgt die Programmierung für die nötige Abwechslung: es gibt wahnsinnig schöne langsame oder mittelschnelle Stücke, oft mit karger Begleitung (Pizzicato-Streicher über ein Bass-Ostinato), und es gibt rasante, laute Nummern, in denen Le Consort in grosser Besetzung zu hören ist (die bisherigen Instrumentalalben sind klein besetzt, eigentlich ist das Ensemble nur vierköpfig, hier sind aber über zwanzig Musiker*innen dabei). Le Consort glänzt in allen Tempi mit einem federnden, oft geradezu groovenden Beat. Und Charvet hat eine sehr schöne, leicht verschattete Mezzo-Stimme. Für meine Ohren also gelungen in jeder Hinsicht.
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