Antwort auf: Tenor Giants – Das Tenorsaxophon im Jazz

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gypsy-tail-wind
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Hab doch noch etwas mehr Zeit … „The Cutting Edge“ steht an, live in Montreux im Juli 1974. Das klingt für meine Ohren wieder etwas weniger offen als der Mitschnitt aus Japan. Das mag mit den kurz gehaltenen (Festivalset vs. abendfüllendes Konzert nehme ich an) Stücken so viel zu tun haben wie mit der Präsenz eines Pianisten. Stanley Cowell ist das, sonst ist die Band dieselbe, bis auf den erwähnten Gast Rufus Harley auf dem einzigen langen Stück, dem knapp viertelstündigen Closer „Swing Low, Sweet Chariot“. Die grossen Balladen gibt es bei Rollins schon lange, eigentlich schon immer – ich höre „To a Wild Rose“ auch als als Fortsetzung von, sagen wir, „You Don’t Know What Love Is“ („Saxophone Colossus“, 1956) – das war ein Faden, den Rollins praktisch ohne Unterbruch weitergesponnen hat, auch wenn er vielleicht in den Sechzigern etwas in den Hintergrund getreten ist. Die Integration der Percussion klappt beide Male, auch in Bacharachs „A House Is Not a Home“, hervorragend. Die Stimmung ist auch in Montreux toll und als auf Albumlänge kondensierte Essenz des damaligen Rollins ist das vielleicht auch ein besseres Dokument als – oder aber: eine perfekte Ergänzung zum – der Mitschnitt aus Japan.

Dass „Horn Culture“ etwas mit Coltranes Musik zu tun hat, höre ich übrigens nicht – woran machst Du das fest @vorgarten? Wollte ich neulich schon frage, stolpere ob Deiner Zeilen zu The Cutting Edge gerade wieder darüber.

Ein Nachgedanke zum Klang: das Japan-Konzert und dieser Montreux-Mitschnitt klingen hervorragend, sowohl was Rollins‘ Saxophon angeht als aus die Balance in der Band, die Präsenz des Basses … seltsam, dass Live-Aufnahmen besser klingen als Studio-Alben, aber die Japaner waren in der Sache eh top und Claude Nobs in Montreux ein High-End-Fanatiker, der die technischen Entwicklungen verfolgte und stets die neusten Geräte angeschafft und damit herumexperimentiert hat.

Vielleicht verstehe ich gerade, beim ausgiebigen hören, auch ein wenig das „Problem“ mit den Bands: Klar, Rollins hätte sich namhaftere Rhythmusgruppen besorgen können (aber Cables, Davis oder Cowell sind ja schon ziemlich die Topliga und Crashaw/Lee sorgten halt für den passenden Groove – ich denke da mal rasch 10-12 Jahre früher an die Rhythmusgruppe von Gillespies Combo: Chris White/Rudy Collins – auch eine relativ leichtgewichtige aber langjährige Rhythmusgruppe, die eben exakt den richtige Groove fand). Aber die Frage nach weiteren Bläsern: wer wäre schon dumm genug gewesen, sich jenseits einer gelegentliche Jam-Session auf das Monster einzulassen, dass Rollins nun mal war? Dass Don Cherry zehn Jahre früher gut klappte, war auch nicht absehbar (und ist glaub ich auch keine Meinung, die alle Welt teilt), sicher ein Glücksfall … ich komm darauf, weil Rufus Harley als Exot da halt seinen Platz finden konnte – und ja, es ist super, was er in „Swing Low“ dazu bringt, gibt dem Album gleich noch eine neue Dimension, und auch eine, die es seit „Next Album“ noch nicht gab.

Hat schon jemand das 1971er-Set mit Bobo Stenson angehört? Das will ich unbedingt bald nachholen, fällt ja noch in die Zeit vor vor seinem Album-Comeback.

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