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Wurde gestern in der Berliner Zeitung besprochen:
Es gibt ein paar Dinge im Leben, die kommen so regelmäßig ins Haus wie die Lohnsteuerkarte. Die Heizkostenabrechnung etwa, der Ikea-Katalog und das jährliche Album von Van Morrison.
Am letzten Montag erschien die neue Van Morrison erstmals zeitgleich mit der neuen Lohnsteuerkarte, was einem die Arbeit erleichtert. Beides kann synchron abgeheftet und archiviert werden, im Grunde genommen sogar ungeöffnet. Man weiß doch, was drin ist. Van Morrison nimmt seit zehn bis zwanzig Jahren dieselbe Platte auf. Manchmal wechseln die Musiker, manchmal verschiebt sich die Stilistik, aber das alles spielt sich eher im unhörbaren Bereich ab. Der Mann gerät niemals außer sich, höchstens im Konzert und auch dann nur, um einen tranigen Mitspieler zur Minna zu machen. Das Publikum ist ihm Wurst, die Kritik egal, die Popwelt von Übel.
Das geht schon eine ganze Weile so und wird vermutlich nicht mehr besser, in seinem Alter. Die 15 Euro für sein turnusmäßiges Album kann man sich trotz allem nicht sparen. Es ist Van Morrison, was bleibt einem denn weiter übrig? Jetzt noch aufzuhören, seine Platten zu sammeln – das hätte doch auch keinen Sinn.
Du sollst dir kein Bild machen, heißt es in der Bibel und nun auch bei Van Morrison, der im Begriff ist, unsichtbar zu werden. Auf dem Cover ist er bereits nicht mehr abgebildet und auch im Booklet findet sich kein Foto von ihm, was zu verschmerzen ist. Den Hut mit Sonnenbrille kennt man ja. What s wrong with this picture?, das ihr euch von mir macht, singt er im Titelsong dieser neuen LP, die wider Erwarten zu den schönsten seines vor dreißig Jahren begonnenen Alterswerkes gezählt werden darf. Natürlich klingt alles nicht anders, als schon vieles von ihm klang; die späte Schönheit dieser neuen Aufnahmen offenbart sich im Detail, in noch raffinierteren Bläserarrangements, in noch feinerer Rhythmik, in einer warmen Produktion und in Texten, die sich nicht länger in Esoterik und Weltflucht verlieren, sondern ein wenig bissig sind. Van Morrison hat die Plattenfirma gewechselt, nicht freiwillig, ist anzunehmen. Er steht jetzt bei dem Jazz-Label Blue Note unter Vertrag und stellt klar: I m not promoting no hit record/ And I don t have no tv show. Also habe er auch keinen Grund, im Goldfischglas zu leben.
Seine neue Firma hat ihn verstanden. Auf der Internetseite von Blue Note findet man über Van Morrison die folgenden Einträge. Biografie: Es liegt keine Biografie vor. Aktuelles und Infos: Es liegen keine Infos vor. TV und Tourdates: Es liegen keine Termine vor.
Am 14. November spielt er in Berlin. Niemand soll es wissen.
Quelle: Berliner Zeitung
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