Startseite › Foren › Kulturgut › Das musikalische Philosophicum › Es war/ist total uncool, diese Band zu hören › Re: Es war/ist total uncool, diese Band zu hören
Ah UmDas „Kalkül“ von dem du hier sprichst, ist ein ganz anderes als das, von dem bisher die Rede war. Es ging bisher darum, dass außermusikalische, nämlich finanzielle Interessen, die künstlerischen Entscheidungen dominieren. (Wobei als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wird, dass jeder professionelle Künstler seine Kunst auch verkaufen muss.)
Jetzt bezeichnest du schon den Wunsch, „aufregende Musik“ zu machen, als Kalkül. Wenn man Kalkül so versteht, dann fällt auch der sicher völlig unschuldige Wunsch, Töne zu erzeugen, darunter. (…)
Machen wir uns nichts vor: Im Prinzip ist das alles (Bob oder Bobo, Stones oder Eminem) musikalisch fast dieselbe dünne Suppe. Den eigentlichen Unterschied zwischen den Libertines und einer Boygroup machen nicht die paar Akkorde, sondern die Attitüde. Wer mehr Musik und weniger Attitüde will, sollte sich klassischer Musik oder Jazz zuwenden. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass auch Popmusik jenseits des „Coolness“-Faktors und der Attitüden ihre Qualitäten hat.
Das ist immer das Problem mit den Begriffen. Ich verstehe „Kalkül“ als „Vorsatz, Vorhaben“.
Bevor hier Hat&Beard und Weilstein wieder Bauchschmerzen kriegen: Ich hab ja gestern im „Was mich ärgert“-Thread hoffentlich hinreichend klargemacht, dass ich Sachen wie DJ Bobo (bei dessen Musik ich nun auch keinen Mehrwert erkenne, das ist im Wortsinne Kindermusik – die es ja auch geben darf und muss) nicht auf gleicher Ebene sehe wie das, was Dylan oder Stones (oder auch Eminem!) gemacht haben. Das sind für mich allerdings unterschiedlich zu nutzende Zimmer im großen Hause „Pop“, die für mich alle ihren Wert haben. Das sehen Weilstein und einige andere nun ganz anders. Die wollen nun gerade nicht mit Bobo, Nina Hagen oder Christina Aguilera unter einem Dach wohnen.
Von daher würde ich den Unterschied nicht so marginalisieren wie Du (falls Du nicht wieder meinen Gedankengang auf die Spitze treiben möchtest ;-). Ich hab aber auch kein Problem damit.
Was das musikalische Verständnis der 12- bis 14-jährigen angeht: Es kann natürlich noch nicht so differenziert und reflektiert sein wie das eines erfahreneren Musikhörers. Aber ich hab im dem Alter schon begeistert Sachen gehört, die auch hier und heute als große, wichtige, bedeutende Musik gehandelt wird, ohne dass mir irgendjemand gesagt hätte, das sei so. Damit bin ich ganz bestimmt keine Ausnahme. In dem Alter ist man schon ein ernstzunehmender Musikhörer.
Daneben hatte ich immer ein Faible für die vielzitierten „guilty pleasures“, tatsächlich lange Zeit mit diesem Beigeschmack, damit falsch zu liegen. Es war für mich durchaus ein Fortschritt im Hinblick darauf, die ebenfalls vielzitierte „Geschmackssicherheit“ zu entwickeln, also die Fähigkeit zu einem eigenständigen und begründeten Urteil, dass mir irgendwann klar wurde, dass jeder Song, der mich begeistert, eine Qualität hat, die man auch beschreiben können muss. Das jemand anders den gleichen Song trotzdem völlig geschmacklos oder nur langweilig, kalkuliert usw. empfinden kann, ist dabei unbenommen. Von daher mache ich mir überhaupt keine Sorgen mehr, wenn mich z.B. „Stay Another Day“ von East 17 immer wieder genauso fesselt wie „What A Waster“.:-)
Natürlich hat Popmusik ihre Qualitäten. Trotz ihrer formalen Beschränkungen ist sie unglaublich variabel und inspirierend.
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