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Herr Rossi
Ich meine nicht, dass jemand die Hörer für dumm hält, wenn er „kalkulierte“ Musik macht. So nach dem Motto: Mädchen brauchen mit 12, 14 Jahren Stars zum Anhimmeln (Kalkül + Illusion), schauen wir mal, ob wir ihnen was bieten und damit viel Geld verdienen können. Die müssen sich schon ziemlich anstrengen und in vielen Fällen funktioniert es nicht, weil die Mädels selbst entscheiden, wen sie haben und hören wollen. Dabei kann trotzdem interessante Musik entstehen.
Du tust dein Bestes, deinen Thesen die zynische Spitze zu nehmen, die ich ihnen beigelegt habe. Überzeugt bin ich trotzdem nicht.:-)
Selbstverständlich ist es harte Arbeit, Teenies Musik zu verkaufen. Und machmal will der Kunde nicht so, wie man selbst. So wie auf jedem anderen umkämpften Markt auch.
Und ich schließe auch nicht aus, dass dabei interessante Musik entstehen kann. Aber die Voraussetzungen dafür scheinen doch ziemlich schlecht. Das liegt wohl weniger am schnöden Mammon, der die künstlerischen Entscheidungen diktiert (das tut er natürlich auch), sondern einfach daran, dass 12jährige über ein noch nicht allzu ausgeprägtes Urteilsvermögen verfügen, sei es bei der Musik oder anderswo (Bin mal gespannt, ob das jetzt jemand als diskriminierend empfindet;-) ).
Anders gesagt: Es kann sein, dass bei der Entwicklung von Babynahrung etwas herauskommt, das auch Erwachsenen schmeckt; aber verwetten würde ich darauf nichts.
Es kann sich auch eine Band zusammenfinden, die sagt: „Wir wollen aufregende Musik machen (Kalkül) und cool sein (Illusion)“. Die werden ihr Publikum trotzdem ernstnehmen müssen, denn es entscheidet, ob es ihnen den Anspruch abnimmt, aufregend und cool zu sein. Und sei es ein kleiner Kreis von gutinformierten Forumianern.:-)
Das „Kalkül“ von dem du hier sprichst, ist ein ganz anderes als das, von dem bisher die Rede war. Es ging bisher darum, dass außermusikalische, nämlich finanzielle Interessen, die künstlerischen Entscheidungen dominieren. (Wobei als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wird, dass jeder professionelle Künstler seine Kunst auch verkaufen muss.)
Jetzt bezeichnest du schon den Wunsch, „aufregende Musik“ zu machen, als Kalkül. Wenn man Kalkül so versteht, dann fällt auch der sicher völlig unschuldige Wunsch, Töne zu erzeugen, darunter.
Selbstverständlich läuft auch bei der „ernsthaften“ Rockmusik sehr vieles übers Image. Der Plattenkäufer oder Konzertbesucher erwirbt die Illusion, an der Coolness, Wildheit, sexuellen Attraktivität etc seines Stars teilhaben zu können. Und natürlich ist das genauso Kinderkram wie das, was die o.g. minderjährigen Mädchen machen.
Machen wir uns nichts vor: Im Prinzip ist das alles (Bob oder Bobo, Stones oder Eminem) musikalisch fast dieselbe dünne Suppe. Den eigentlichen Unterschied zwischen den Libertines und einer Boygroup machen nicht die paar Akkorde, sondern die Attitüde. Wer mehr Musik und weniger Attitüde will, sollte sich klassischer Musik oder Jazz zuwenden. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass auch Popmusik jenseits des „Coolness“-Faktors und der Attitüden ihre Qualitäten hat.
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There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)