Antwort auf: Up to date: Das popkulturelle Hier und Jetzt

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herr-rossi
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nicht_vom_forumKlar gibt es die. Mein Eindruck ist allerdings, dass es im Moment schwieriger ist als früher, obwohl (weil?) der Zugang eigentlich einfacher ist, überhaupt festzustellen, wo „vorne“ ist, weil viele Richtungen und Stile mehr oder wenig gleichberechtigt nebeneinander stehen. Früher war „Avantgarde“ oder „modern“ eine Position bzw. ein Anspruch und implizierte eine Richtung, momentan sind es Gattungsbegriffe in einer permanenten Gegenwart.

Bin auch nach längerem Nachdenken darüber nicht wirklich schlüssig. „Avantgarde“ und „Moderne“ sind doch eher Begriffe aus der sogenannten E-Musik. In der Populärmusik kennen wir eher einzelne Genres oder Labels wie „Free Jazz“, „Progressive Rock“, „Krautrock“, „Art Pop“, „Post Punk“ usw., die man üblicherweise mit dem Streben nach Erweiterung und Fortentwicklung der Möglichkeiten der Populärmusik verbindet. Man muss natürlich auch sehen, dass ganz allgemein der Glaube an einen Fortschritt, eine lineare Aufwärtsentwicklung seit den 1960ern Jahren schwer erschüttert wurde. Angehörigen der GenZ dürfte der Gedanke sogar fremd sein.

Und wusste man wirklich jemals, wo die Reise hingeht? Konstruieren wir nicht immer erst im Nachgang Meistererzählungen von musikalischen Revolutionen und Umbrüchen? Ist sicher nicht Dein Ansatz, aber in Diskussionen hier aber ich immer den Eindruck einer Erwartung, das Neue in der Musik solle sich quasi mit Genrebezeichnung ordentlich vorstellen und durch einen rebellischen Gestus sofort als solches identifizierbar sein, weil wir es so in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts gelernt haben. Die Bilder, die man dabei im Kopf hat, zeigen immer – vorrangig weiße – junge Männer mit lauten Gitarren …

Anfang der 2010er war ja das Feuilleton-Wort von der „Retromania“ in aller Munde und es wurde lauthals beklagt, dass nur noch das Altbekannte reproduziert würde und es keinen musikalischen Fortschritt mehr gäbe. Dabei übersah man all die kleinen, unterschwelligen Veränderungen, die dazu führen, dass Populärmusik heute anders klingt als noch 2010. Mic The Snare hat das sehr schön analysiert, eine des besten musikgeschichtlichen Video-Essays.

Jetzt sprechen wir schon wieder von Musik, darum sollte es hier gar nicht gehen, aber die Gedankengänge lassen sich wahrscheinlich auch auf andere Aspekte der Populärkultur übertragen.

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