Antwort auf: Das Kinojahr 2022 aus meiner Sicht

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motoerwolf

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SPOILER AHEAD!

@pfingstluemmel: Hier die erste Kritik zu einem der von dir gewünschten Filme.

Lamb (Dýrið, Valdimar Jóhannsson, 2021, IS/S/PL)

Lamb ist eine absolute Perle des diesjährigen Kinojahrs. Vermarktet wurde er als eine Art Horrorfilm, aber diese Einordnung wird dem Werk nicht gerecht, und ein reiner Horrorfan würde das Kino wohl enttäuscht verlassen haben. Zwar hat der Film übernatürliche Elemente, doch bedient er sich kaum der Bildsprache klassischer Horrorfilme. Statt dessen sehen wir wunderschöne, leicht triste isländische Landschaften, die weit sind und doch fast immer begrenzt durch Berge, die Einsamkeit und gleichzeitig so etwas wie Geborgenheit transportieren. Hier leben Maria (fantastisch: Noomi Rapace) und Ingmar  gemeinsam mit ihrem Hund als Schäfer. Gesprochen wird wenig von den beiden, selbst als eines der Schafe etwas zur Welt bringt, das ihr Leben komplett verändern wird. Bis dem Zuschauer allerdings offenbart wird, was an dem neuen Lamm so besonders ist, dauert es eine Weile, auch wenn der Umstand, dass Maria und Ingmar das Lamm zu sich ins Haus holen schon einen ersten Hinweis gibt. Denn das Lamm ist ein Mischwesen, es hat einen menschlichen Körper mit einem Schafskopf. Das Kind / Lamm wird Ada genannt, von den Menschen „adopiert“ und aufgezogen. Vor dem Rest der Welt wird Ada verheimlicht, lediglich Ingmars Bruder, der das Paar besucht, bekommt Adas Existenz mit. Und während Maria und Ingmar seltsam natürlich auf das Mischwesen reagieren, zeigt Petur, Ingmars zu Besuch kommender Bruder, eine deutlich normalere Reaktion. Er ist zunächst erschrocken über die seltsame Kreatur, und er geht sogar soweit, über Adas Tötung nachzudenken. Doch auch er arrangiert sich mit Ada, nicht zuletzt, weil er Interesse an Maria hat.

Doch Petur ist nicht die einzige Bedrohung des jungen Familienglücks. Adas leibliche Mutter vermisst ihr Lämmchen, und auch Ada fühlt sich zu ihr hingezogen. In einer der schockierendsten Szenen des Films tötet Maria voller Eifersucht das Mutterschaf, welches verzweifelt sein Lamm sucht. Und dann muss es ja noch einen biologischen Vater von Ada geben. Wie dieser wohl aussieht? Und was hält der Wohl von der Entwicklung?

Das ganze wird sehr langsam erzählt, der Film strahlt eine gewaltige Ruhe aus, die aber beständig von einer subtilen Spannung unterlaufen wird. Der Horror der Geschichte entsteht nicht so sehr durch Ada, das Hybridwesen. Statt dessen ist dieses „Monster“ letztlich sogar recht niedlich. Doch irgendwann erfahren wir, warum Maria und Ingmar dieses seltsame Wesen überhaupt an Kindes statt annehmen, dass es bereits einmal eine Ada gab, die verstorbene Tochter des Paares. Dieser Tod erklärt auch die leichte Kühle, die man zu Beginn des Films zwischen den Eheleuten spürt. Und hier liegt dann letztlich das Thema des Films. Liebe und Verlust, Verlangen und Eifersucht.

Großes Kino, zurecht für viele Preise nominiert, von denen Lamb auch einige gewann.

 

zuletzt geändert von motoerwolf

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And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame