Antwort auf: Brasilien

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vorgarten

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gal costa, s/t (1969)

gal costas tod ist die erste verlustanzeige unter den noch irgendwo irrlichternden tropicalist:innen, unter die sie irgendwie geraten war, nachdem sie mit 10 jahren die späteren ehefrauen von caetano veloso und gilberto gil kennen gelernt hatte. für mich war costa nie die psychedelische rockerin im clinch mit dem militärregime, so wie man sich den tropicalismo normalerweise erklärt, sie war immer eine fantastische sängerin des intimen, sanft die rhythmen dehnend, reflektierend, eine singer/songwriterin ohne eigenes songwriting. GAL COSTA kam heraus, als die anderen kombattant:innen gerade probleme hatten, gal costa sang stellvertretend ihre songs, machte aber etwas eigenes daraus, was heute für sich steht. die verzerrten klangschichten des anfangs werden immer wieder zart durchbrochen, aber es ist vor allem die zweite seite, und da vor allem das nacheinander von „que pena“ und „baby“, in den flirrenden streicherarrangements des stockhausen- und boulez-schülers rogério duprat, das hier in eine andere umlaufbahn führt. neben der harschen aktivistischen performance von maria bethania war gal costa die sanfte stimme der utopie, zwei varianten brasilianischer queerness, die eine andere welt vorstellbar machten als die herrschende. und doch, bei aller sanftheit, höre ich das album heute als ein monument, sehe ich eine große geste – in diesem album steckt so vieles drin, was in der luft lag, und es hat eine form gefunden. ein meisterinnenwerk.

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