Antwort auf: blindfoldtest #33 – gypsy tail wind

#11916073  | PERMALINK

vorgarten

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dann mach ich mal ein bisschen weiter. mittlerweile habe ich den bft so oft gehört, dass ich in jedem stück was schönes gefunden habe ;-)

gypsy-tail-wind
1 | Das ist eine recht klassische Fünfziger-Variante von Dixieland, wie er seit ca. 10 Jahren davor auch auf Platten ein Revival erlebte (Bill Russell fing 1944 an, Veteranen zu dokumentieren, später gab es solche Alben auch bei diversen anderen Labeln, sogar bei Atlantic oder bei Verve, und natürlich auch bei Blue Note, wo Sidney Bechet oder George Lewis noch aufgenommen wurden, als das Label sich sonst längst dem Modern Jazz verschrieben hatte). Dass das Klavier hier der Ausgangspunkt ist, finde ich einen schönen Gedanken – auf den ich nicht kam, weil das Solo jetzt nicht so aufmerksamkeitsheischend ist … und ich den Track fast durch was anderes ersetzt hätte (aber nichts passenderes fand).

2 | Das ist ja bereits identifiziert – ich mag allein schon die Farbpalette, die hier aufgefahren wird, schon im ersten Akkord, unheimlich gerne. Das hat eine Wärme, einen Farbenreichtum, egal wie einfach das Stück ist, für mich ist das von einer Üppigkeit, an der ich mich schwer satthören kann. Bezüge nach England höre ich hier nicht, aber da kenne ich mich schlecht aus – Country passt als Referenz aber gut, vielleicht ist das hier so eine Art von Country-Blues, bei der die Form (Anzahl Takte, 4./5. Stufe und der Kram) überhaupt keine Rolle spielt. Da ist jedenfalls eine Wärme, wie sie später Charlie Hadens Musik hatte (der ja tatsächlich aus so einem Umfeld stammte) – und das ist ein „was wäre wenn“, das ich sehr gerne hören würde: das Duo-Album der beiden!

3| Das ist zu alt für Bebop – klassischer Combo-Swing eigentlich, solche zickigen Themen gab’s da auch schon ordentlich. Das das etwas nervt, kann ich schon verstehen. Und klar, das ist wegen des Pianos da (das ja schon im Intro recht irr aufspielt), sind aber auch ein paar gute Bläser dabei. War halt nicht immer einfach, v.a. wenn die Sachen aus der Zeit stammten, in der es vier kurze Stücke gibt: ich wollte einerseits keine allzu leicht identifizierbaren Stücke wählen und anderseits auch möglichst keine generischen Blues, die dann abgewatscht werden

4 | Das ist ja auch identifiziert – good call! Denke nicht, dass ich das so schnell gehabt hätte. Im Klang hat das zumindest im öffnenden Thema teils eine Ähnlichkeit mit #2 dünkt mich. Danach geht es aber andere Wege. Eleganz ist da wirklich nicht Thema, Überschuss höre ich auch … und ganz ehrlich: ich bin nicht sicher, wie gut ich das mag, was das Klavier im Solo so anstellt. Die Exchanges mit Bass und Drums finde ich dann aber ganz gut, und von da zum Ende auch wieder. Und ich mag diesen Song total gern (und hatte auch wieder keine echten Alternativen zur Auswahl, also war’s einfach mit dabei).

5 | Das hast du ja auch noch rausgekriegt, nur bisschen genauer hinschauen … getupft passt total, und ja, mich frustriert das kurze Album, von dem das Stück stammt, auch immer etwas, weil eben alles so hübsch und so schön eingerahmt ist.

6 | Klaviertrio ist ja quasi der Normalfall hier, aber das ist inzwischen eh bekannt … #2 stammt von einem grossteils im Trio aufgenommenen Album, die Idee war mal, nur Opener (#1) und Closer (#12) in grösserer Besetzung drinzuhaben, aber dann kam eben noch #3. Und ja, ich hab diese Aufnahme erst grad kennengelernt und das erste Hören hat mich beeindruckt! Leider weiss ich überhaupt gar nichts darüber.

7 | Das ist auch ziemlich irr, hab quasi #6 als Closer der Seite A der imaginären LP und das als Opener der zweiten Seite gesetzt (zunächst anders rum), aber das hier hat so einen catchy Groove, ein wenig „Un poco loco“-mässig, ohne das irr-überdrehte, aber eben doch recht abgefahren, wie du sagst.

8 | Hier hab ich teils wieder so einen ähnlichen Frust wie in #5, etwas zu abgezirkelt, aber zugleich mit deutlich grösserer Kelle – mehr Technik, mehr Wagemut, viel überschwänglichere Gestik – angerichtet … irgendwas zwischen Tristano und Shearing … und einigen Swing-Leuten (ich tippe z.B. auch Teddy Wilson)?

9 | Die Nähe zu „Invitation“ und zu „Laura“ höre ich jetzt schon, wo ich das Stück in Ruhe daheim nochmal höre und nicht im Büro, wo ich inzwischen kaum ungestörte Momente habe und Headset dann etwas asozial ist … und nein, Roach ist das nicht. Die Lässigeit hier passt auch total zum Umfeld, aus dem das kommt. „Santa Claus“ kam im Oktober, aber das Album erschien noch im selben Jahr, da passte das Zitat dann wohl.

10 | Hab ich am Sonntag entdeckt, weil ich da noch was suchte, was hier rein passt … ein Standard ist das tatsächlich, aber soweit ich weiss kein allzu bekannter (ich kannte ihn bewusst gar nicht, hab ihn jedenfalls auch nicht wiedererkannt). Mag die Aufnahme sehr, verstehe aber total, was du meinst. Die Aufnahmen, die ich sonst bisher – oberflächlich auch nur – kenne, sind ein paar Jahrzehnte später entstanden.

11 | Bill Evans vor Bill Evans, denke ich – und das ist schon recht erstaunlich. Und ja, das ist ein Original, das es mir auch ziemlich angetan hat.

12 | Vogelgezwitscher? Gehen Sie! – das Klavier ist hier ja auch wieder das wichtigste … musste wieder ein Stück nehmen, das nidht zu leicht war (d.h. auch immer ohne Gesang, den gibt es auch anderswo auf den hier angespielten Alben), also kein altes Dixieland-Warhorse (zu denen #1 auf jeden Fall zählt). Das schliesst den Bogen zum Opener, ist aber tatsächlich – was v.a. an den beiden Posaunen hörbar wird – viel rauher, unmittelbarer, ruppiger. Und ja, im Opener läuft da auch im Klavier anderes – egal wie zurückhaltend das dort agiert.

13 | Nein, niemand hier ist anderswo zu hören … bonustrack hat andere Gürnde, das ist eher ein Scherz hier, aber ein netter, der vielleicht für etwas Erstaunen sorgen wird bei der Auflösung
Danke für deine interessanten Gedanken zu den Stücken!

1 | danke für die einordnung. dixieland-revival steht bei meinem vater im regal (lewis, teagarden, die europäer), davon habe ich natürlich eine idee von jazz-improvisation mitgenommen, aber auch erinnerungen an spaßige frühschoppenkonzerten, die ich aus pubertärem widerstand heraus rundweg abgelehnt habe. ich mag hier die klavierpassage, weil in diesem moment auch bass und schlagzeug so schön durchkommen, bevor das ganze wieder aufgefüllt wird. ich habe eine idee, dass wir es hier eventuell mit einem ehepaar zu tun haben könnten und das der leader hier das instrument spielt, das die einleitung übernimmt?

2 | das ist wirklich toll, und mit dem kirchenstaub war ich ja auch nah dran. mit den englisch/irischen bezügen meinte ich einfach die angloamerikanische tradition, in der ich das höre, weil es ja eher ein lied ist, kein blues, obwohl der blues trotzdem reinspielt (im ostinato, aber auch in einigen harmonien) und daraus wirklich eine us-amerikanische performance macht. ein duett mit charlie haden hätte ich auch furchtbar gerne gehört.

3 | hier hoffe ich ja auf @redbeansandrice. „mehr näh- als dampfmaschine“ von @friedrich finde ich hier auf jeden fall eine gute beschreibung. das klaviersolo ist verrückt, will es aber auch sein und gerät zum kabinettstückchen. hübsch.

4 | dieses stück war mein schlüssel für diesen bft, ich habe ganz stupide die 50er-jahrgänge nach versionen von „cheek to cheek“ abgesucht, und hier klingelte es noch vor dem reinhören, weil ich dieses jazzgeschichtlich bedeutsame, aber völlig unbekannte trio (ohne den berühmten saxofonisten, der hier schweigt) kannte. es ist a2 von hier. und da ist ganz schön was los – und ich mag es auch, sobald ich nicht mehr an fred astaire dabei denken muss ;-)

5 | das ist nr. 4 von hier. eine kopfnuss für mich, weil ich das als gesungene version kannte und nicht wusste, dass die sängerin das auch mal instrumental aufgenommen hat. ich mag beide versionen und die komposition sehr gerne, hier zeigt sich ein geschmack und gespür für eine ganz bestimmte sophistication, nicht ohne stachel, aber eigentlich ungefährlich, sehr schlau, aber auch von spielerischem überfluss. die dame hatte ein gutes händchen (und wahrscheinlich sehr lange recherchiert) für solches material. lustig auch, dass #4 und #5 in der gleichen stadt aufgenommen wurden, und dass die typen dabei mal die klappe gehalten haben…

6 | das habe ich noch nicht und das ärgert mich. aber es scheint ja kaum herauszufinden zu sein – weil es nur unvollständige credits gibt? weil auf dem dazugehörigen album sonst andere sachen sind? ach, quatsch, ich hab’s! nr. 1 von hier, die hatte ich hier selbst mal vorgestellt und besonders die beiträge dieser person hervorgehoben! ja, irre, wer war das und warum so unbekannt?

7 | das ist fantastisch, in so vieler hinsicht. muskulös, dunkel, geistreich, es arbeitet aber aus dem material heraus, von innen, das ist kein cocktail-geplänkel. ist nicht unbekannt, wird aber trotzdem nie an entsprechender stelle genannt. ich kreise auch noch um diese musik herum, ohne zu entflammen, aber hier bin ich kurz davor. nr. 6 von hier.

8 | und #7 führt zu #8, die kannten sich, wie dokumentiert ist. der autor dieses bft dürfte eine affinität zum titel des stücks haben, aber ich konnte mich auch daran erinnern, dass er das vor kurzem gehört hat. nr.1 von hier.

9 | hier eins meiner drei highlights (neben #7 und #11), das ich aber jetzt eher zufällig heruasgefunden habe, nicht über meine halsstarrige idee, dass die komposition hier „laura“ sein muss. ich finde es immer noch irre, wie das aus dem thema in das solo übergeht, das hat so viel stil und gefühl… und die begleiter machen wirklich alles richtig… müsste auch ein klassiker sein. lustig, dass „santa claus is coming to town“ damals gerade ein aktueller hit war und sich hier einschleicht. nr.3 von hier.

10 | hier stehe ich noch auf dem schlauch. das ist irre virtuos und das angespielte publikum ist ja auch zu hören (und wenn es nur die bandkolleg:innen sind). müsste doch eigentlich super bekannt sein. den standard kenne ich auf jeden fall, komme aber immer noch nicht darauf.

11 | hier hätte man ja nur auf das intro achten müssen, um eine idee zu bekommen… aber als ich das thema herausgekriegt habe, hatte ich das hier auch erwartet. das ist ein wahnsinnig schönes stück, evans vor evans ja, obwohl der sich ja eher von nr. 5 inspirieren ließ… hier muss ich auch unbedingt mal tiefer graben, hatte ich mir eh vorgenommen. nr.3 von hier.

12 | ach, na klar. auch ein ehepaar, und am klavier entstanden auch kompositionen… oder? wenn ich richtig liege, war dein hinweis über die schwierigkeit, etwas ohne gesang zu finden, entscheidend.

13 | nach wie vor ratlos. vielleicht ein stück, das auf dein bft-thema anspielt? ich mag es tatsächlich mittlerweile sehr gerne.

ich hoffe, ich habe jetzt nicht alle entmutigt? aber man liest ja eigentlich vor dem ersten post nichts, was davor geschrieben wurde…

und über das thema reden wir später nochmal.

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