Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › blindfoldtest #33 – gypsy tail wind › Antwort auf: blindfoldtest #33 – gypsy tail wind
ich presch mal vor, weil ich am wochenende keine zeit haben werde.
1 | da kenne ich mich nicht gut aus, wahrscheinlich die stomp-variante des swing? kansas city? basie? ganz schön zackig, also tanzbar (drum-akzente auf 2 und 4, aber der rest betont alle schläge gleichermaßen), aber solche tänze tanzt man nicht mit fließenden bewegungen, beim zuhören kriege ich einen steifen nacken. aber die bläser spielen schön weich darüber weg, das fließt dann doch ein bisschen. wenn ich dem klaviersolo zuhöre, denke ich, hier ist der ausgangspunkt, von hier aus wird alles arrangiert. die komposition hat mich zuerst an „lady be good“ erinnert, ist aber einfacher. sound ist gut, man hört den bass sehr gut, deshalb nicht zu alt, späte 40er? oder noch jünger?
2 | das ist viel liedhafter, kriegt durch das ostinato der linken hand den jazzbezug, hat aber auch viel kirchenstaub in bewegung versetzt. gefällt mir ganz gut, wie die beiden hände miteinander kommunizieren, für einander auch mal stillhalten. man müsste jetzt die komposition kennen, die ist alt und eher aus dem irisch/englischen raum, man könnte das auch gut als country-musik variieren, der blues kam später dazu.
3 | hier finde ich die melodielinie fast schon bebop, das klaviersolo dagegen ist fast eine kleine vaudeville-nummer. ein banjo… das klavier hier aus zentral, schroeder ist also nicht umsonst der coverboy. gefällt mir nicht so, das stück, finde ich auf zu brave weise verspielt, das thema nervt mich schnell.
4 | cheek to cheek, fred-astaire-dancefloor. spannungsreicher aufbau mit zirkuszitaten, dynamischen wechseln, bevor bass und schlagzeug erscheinen. diese version hat den jubel, aber nicht die eleganz. ich mag das, es ist luxuriös, angeberisch, aber auch nicht so ganz ernst, da liegt viel überschuss drin. und im letzten drittel gibt es noch interessante harmonische recherchen, da musste ich fast an ellington denken. ich mag die komposition sehr, da kann man bei mir nicht viel falsch machen, aber letztlich finde ich es auch zu zackig.
5 | ah, das ist auch ein standard, aber ich komme nicht darauf. (kenn ich den von blossom dearie? ich finde gerade nichts.) gleiche besetzung, pianotrio, die einleitung lässt mich eher an paris, 50er jahre, denken, das solo ist eher getupft, themennah, elegant, aber fast ein bisschen gehemmt. es wird ganz klar die komposition gespielt, nicht für einen abflug benutzt. mir aber zu abgezirkelt.
6 | nochmal klaviertrio. das hat auch ein ambitioniertes arrangement, eine fast etüdenhafte coolness, wärmt sich dann aber schnell auf. das ist im kleinen alles sehr komplex, in alle richtungen. für mich bisher ein höhepunkt, bei dem es zwar auch keine überraschungen gibt, aber viele schöne details.
7 | das hat jetzt einen latin-einschlag, könnte aber der gleiche standard wie in #5 sein. finde ich viel schwärzer in den zirkulären erkundungen um das thema herum, die immer wieder anders rhythmisch punktiert werden. dann gibt es noch abgefahren blockakkorde, call&response zwischen den beiden händen, sehr viel können, geschmack, aber auch innovation. und trance-affinität, das ist ein anderer tanz (aber nicht unbedingt ein lateinamerikanischer, das ist nicht der real deal, oder?). sehr interessant.
8 | soundäßig sind wir fast ausschließlich in den 50ern, oder? klingt hier auch nach einem standard, es dürfte auf jeden fall einen text dazu geben. hier höre ich kontrapunkt, klassische ausbildung, ähnliche quellen wie brubeck und simone. auch sehr brav mit den wechseln aus thema und improvisation, reicht mir nicht, um mich zu begeistern.
9 | ich hab jetzt etwas länger gebraucht, aber das ist natürlich „invitation“. geht ja gut mit einem schluchzen über latinrhythmus, ist hier aber eine walzer-version, noch dazu ziemlich lasziv. je öfter ich das höre, umso faszinierender find ich’s. dachte einmal kurz an randy weston. wahnsinnig toll, wie er den bluesigen improvisationsteil um 1:10 herum vorbereitet, bei dem der drummer auf den snarerahmen haut (das ist nicht roach, oder?). irre zwischendrin ist das santa-claus-zitat… das hat so viele tolle ideen und eine große lässigkeit, die alle nur so anzuteasern. es hängt viel in der luft. lieblingstrack.
10 | das ist wieder dieser standard, auf den ich nicht komme? jetzt kommt eine hypervirtuose rechte hand, die sich ziemlich von der anderen gelöst hat, was wiederum den bass besser durchlässt. total ornamental, aber ich mag das. wahrscheinlich jemand, den ich sonst nicht so höre. das will flirten, bezaubern, schwindeln… und hat smoking und fliege an.
11 | eine ballade, zunächst sehr offen nur auf der 1 begleitet, dann verlässt das klavier kurz die umlaufbahn, kommt aber schnell wieder zurück… sehr schöne komposition, die hier effektvoll herausgeschält wird. könnte mir vorstellen, dass der pianist (die pianistin) das selbst komponiert hat. kein standard, oder so ein beinahe-standard, oder? die letzten akkorde sind fast bill evans… ziemlich toll, wenn man sich darauf einlässt.
12 | jetzt kommt wieder das alte stampfen mit dem vogelgezwitscher drüber das klavier spielt das sehr für sich so durch, die anderen können mitspielen oder was eigenes machen. also eher barrelhouse, oder wie man das nennt. interessante perspektivverschiebung zu den stücken davor.
13 | bonus | wieder älter, mit banjo, deswegen muss der beat nicht vom klavier kommen. schön minimalistisch arrnagierter bläsersatz auf zehenspitzen. wieso ist das jetzt ein bonusstück (weil wir dieses klavier schonmal gehört haben?)? dass bass & banjo das geräusch von zugrädern auf schienen lautmalen, erkenne ich erst, als es noch die sirenen gibt… schöner ausflug.
also alles sehr von den klavieren dominiert. deshalb eine themenidee, weil das ja schon oft aufkam: composer’s bzw. arranger’s piano?
danke für den mix!
--