Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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So, das Levit-Programm ist wieder aufgetaucht. Levit und Hersch haben sich im Herbst 2018 kennengelernt, als Hersch mit seinem Trio im Village Vanguard spielte. Aus der Begegnung entwickelte sich eine Freundschaft und künstlerische Zusammenarbeit, Levit spielte kleine Stücke von Hersch (auch bei seinen Hauskonzerten in den ersten Monaten der Pandemie), Hersch komponierte für Levit „Trees“ und dann 2021 die „Variations on a Folk Song“. Gewidmet ist das Variationenwerk Stuart K. Nelson (1931-2021), der mehr als 100 neue Kompositionen in Auftrag gab. Uraufgeführt hat Levit es am 13. Januar 2022 bei seinem Debut in der Carnegie Hall – er spielte fast das gleiche Programm, Beethovens Op. 109 erklang statt Brahms/Busoni.

Ein paar Zeilen aus dem Text von Anselm Cybinski:

Eine ganz andere [als Brahms/Busoni], nostalgisch grundierte Wehmut verströmt die Melodie, die der Jazz-Pianist und Komponist Fred Hersch seinen Variations on a Folk Song zugrunde gelegt hat. Oh Shenandoah ist eine jener einprägsamen Weisen, die von Harry Belafonte über Bob Dylan und Bruce Springsteen bis zu Keith Jarrett von zahllosen berühmten Musikerinnen und Musikern interpretiert worden sind. Das Lied aus dem frühen 19. Jahrhundert geht auf die sogenannten Voyageurs zurück, Pelzhändler*innen, die mit ihren Kanus den Missouri River befuhren, der Name Shenandoah rührt von einem angesehenen Irokesen-Häuptling her. „Die Wahl eines Variationsthemas ist eine komplizierte Angelegenheit. Tatsächlich kam mir Shenandoah sofort in den Sinn, als ich über das Stück nachzudenken begann. Alle guten Variationsthemen sind direkt im Gestus und tragen viele Entwicklungsmöglichkeiten in sich“, erläutert Fred Hersch. „Sie sollten weder zu kompliziert noch zu einfach sein. Und ich muss eine emotionale Verbindung zu ihnen herstellen können. Shenandoah ist auf allerbeste Weise amerikanisch.“

[… den biographischen Absatz über Hersch lasse ich aus …]

Die Igor Levit gewidmeten Variations on a Folk Song sind Herschs dritter Zyklus dieser Art. Frühere Werke basierten auf dem Bach-Choral O Haupt voll Blut und Wunden sowie auf dem Thema des „Andantino“ aus der Vierten Sinfonie Pjotr Iljitsch Tschaikowskys. „Meine Arbeit als Jazz-Pianist besteht ja ohnehin zu grossen Teilen darin, in Echtzeit Variationen über bestehende Themen zu entwickeln“, weiss Hersch. „Auf ganz ähnliche Weise entwickle ich also eine Reihe kleiner Charakterstücke von etwa 16 bis 20 Takten. Anschliessend ordne ich diese für mich in einer Art Playlist an und hoffe, dass etwas Sinnvolles dabei herauskommt. Ich muss mich also nicht mit komplizierten Verläufen wie der Sonatensatzform herumschlagen – es ist viel leichter zu komponieren, und das macht enormen Spass.“ Seine Musik nehme keine besondere Rücksicht auf stilistische Moden, betont Hersch, der grundsätzlich tonal komponiert. In erster Linie geht es ihm darum, ein Thema von so vielen Seiten wie möglich zu beleuchten und zugleich eine gute Balance zwischen Abwechslung und Kohärenz herzustellen.

Während die Shenanodoah-Melodie in G-Dur vorgestellt wird, weichen schon die nachfolgenden Variationen auf Es-Dur aus. Auch später wechseln die Tonarten häufig. „Für mich ähnelt die Anordnung der Tonarten der Planung eines Menüs. Wo brauche ich eine Fortsetzung, wo einen Kontrast? Das Gleiche gilt für die Tempi, Satzarten und die pianistischen Techniken wie Triller oder Gegenbewegungen.“

Aus dem kürzeren englischen Text von Thomas May:

The critic Zachary Wolfe, in his review of the world premiere performance in January, described the effect of Hersch’s approach as one of „untroubled sincerity,“ adding that „these unvaried variations are a musical vision of nearly unbroken serenity and benevolence – notably, curiously nostalgic.“

Diese „benevolence“ bot eben im ersten Konzertteil einen guten Kontrast zu den viel dunkler schattierten Brahms/Busoni-Stücken – während den beiden die „nearly unbroken serenity“ durchaus gemein ist. Im zweiten Teil war die „serenity“ dann weggeblasen – dafür kehrte die Dunkelheit zurück.

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