Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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Lucerne Festival – KKL, Luzern – 18.08.2022

Igor Levit Klavier

Johannes Brahms (1833–1897)
Sechs Choralvorspiele für Orgel aus op. 122, auf das Klavier übertragen von Ferruccio Busoni BV B 50
Fred Hersch (*1955)
Variations on a Folk Song (Schweizer Erstaufführung)

Richard Wagner (1813–1883)
Vorspiel zu Tristan und Isolde, arrangiert für Klavier von Zoltán Kocsis
Franz Liszt (1811–1886)
Klaviersonate h-Moll S 178

Ein grossartiger Auftakt meiner drei Besuche am diesjährigen Lucerne Festival. Brahms/Busoni (oder anders rum? im gedruckten Programm war’s Busoni/Brahms) und Hersch ergaben zusammen eine ca. 35minütigen, meiste getragenen Einstieg in den Abend. Die Hersch-Variationen beruhen auf „Oh, Shenandoah“, die meisten sind auch eher ruhig, lyrisch, aber es gibt einige Verdichtungen und Akkorde, die quasi auf dem Umweg über den Jazz von Hersch zurück zur Klassik kommen: will sagen da und dort klingt das impressionistisch, irgendwo an der Schnittstelle von Debussy, Ravel und dem Jazz eines Bill Evans oder eben: Fred Hersch. Levit nennt Hersch ein Vorbild (am deutlichsten hier), im Programmheft aus Luzern (ich hab’s leider bereits erfolgreich verlegt oder aus versehen entsorgt gestern) stand auch, dass Levit den Ratschlägen Herschs viel verdanke, und „Er nahm mir die Furcht vor dem Weg, den ich gehe.“

Die erste Konzerthälfte wurde für meine Ohren durch die zweite dann quasi vollkommen verständlich, erst am Ende erschloss sich die Dramaturgie des Abends ganz. Das Arrangement vom Tristan-Vorspiel diente Levit tatsächlich als Vorspiel für die grosse Sonate von Franz Liszt: deren erste, einzelne Töne ergaben sich nahtlos aus Wagners Musik – allein dieser Übergang war schon magisch, doch der Einstieg nach der Pause mit Wanger war das sowieso: karg, geheimnisvoll, dunkel – extreme Dehnungen, da konnte das Atmen beinah vergessen gehen, wenn man sich fragte: Was folgt nun? Wie kann das denn weitergehen? Wohin? Und dann aus den letzten Tönen der Übergang zu Liszt. Bamm … Bamm …… Bamm … Zerdehnung, Verdichtung, Explosivität und berückender Lyrismus. Wie Levit diese irre Sonate interpretierte, erzeugte den Eindruck, sie entstünde im Augenblick zum ersten Mal. Das wirkte spontan und völlig frei. Dabei ging Levit mit der höchsten Konzentration zur Sache, phrasierte gewisse Passagen auch anders, als ich sie im Ohr hatte, scheute nicht vor gelegentlichen Zuspitzungen, schöpfte die Dynamik des Instruments aus. Die Musik hatte etwas Getriebenes, ja Irres – aber immer wieder Momente grosser Zartheit, in denen der dichte Strom der Musik aufgebrochen wurde, Atem geschöpft werden konnte, in der Stille die nächsten Attacken vorbereitet wurden. Es war jedenfalls der Wahnsinn – für mich wird es in Sachen Listz-Sonate ein Davor und ein Danach geben, und es wird einige Zeit brauchen, bis ich mich zuhause ab Konserve dem Stück mal wieder widmen kann.

Eine Zugabe folgte dann auch noch – ich bin peinlicherweise nicht sicher, was es war, tippe auf Bach/Busoni („Nun komm der Heiden Heiland“?). Ich fand das einerseits überflüssig – wie auch den Applaus, mit dem die davor über eine Dreiviertelstunde aufgebaute, magische Stimmung zerbrach – aber andererseits halt der Form geschuldet auch eine sehr schöne Abrundung eines wunderbaren und mich am Ende in jeder Hinsicht überzeugenden Abend.

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