Antwort auf: Count Basie

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Billy Eckstine war neben Basie und Sarah Vaughan der dritte Künstler, den Morris Levy zu Roulette lockte. Ich finde – im Gegensatz zu Williams und Vaughan – bisher nur punktuell Zugang zu seinen Aufnahmen. Aber hier, mit Basies hervorragender Band, klappt das schon ganz gut, spricht mich wohl ebenso sehr an wie das Roulette-Album mit Bennett (das von der Stimmung her ganz anders ist) oder die Aufnahmen mit Joe Williams. Eckstine singt meisterhaft – und ich ertrage hier sogar sein Vibrato in den Crooning-Nummern, z.B. in „Don’t Cry Baby“. Die Arrangements (Quincy Jones, Thad Jones, Bobby Tucker – leider weiss ich nicht, wer welches Stück arrangiert hat) sind sehr gut. Im ersten Stück mit Bill Basie selbst am Klavier, ist im Intro mal wieder Freddie Green prominent zu hören (das gibt es bei diesen Gesangs-Alben immer wieder, fällt auf) – das ist das schon erwähnte „Don’t Cry Baby“. Danach setzt Basie sich auch bei „Little Mama“ und im Closer „Piano Man“ (eine Gemeinschaftskomposition mit Eckstine) selbst ans Klavier, sonst spielt Bobby Tucker. Gemäss meiner japanischen CD von 2015 gibt es auf zwei Stücken („Lonesome Lover Blues“ und „Jelly Jelly“) auch noch wen anders als Eddie Jones am Bass, das wäre dann George Duvivier, der gemäss der in diesem Fall sicher veralteten Diskographie von Bruyninckx bei der ersten Session mitwirkte, der da aber nur „Stormy Monday Blues“ (gemäss der CD mit Jones) zugeschrieben wird. Auch die Stücke mit Basie gibt Bruyninckx anders an – ich vermute, die CDs von 2015 sind da korrekter bzw. verlässlicher.

Sarah Vaughans Roulette-Aufnahmen haben als ganzes einen – zumindest so pauschal ungerechtfertigt – schlechten Ruf. Das ist schade, denn da gibt es sehr schöne Sachen zu entdecken, nicht zuletzt „After Hours“ mit Mundell Lowe und George Duvivier, zwei Alben mit Arrangements von Benny Carter oder ein Album mit einer exzellenten West-Coast-Combo (u.a. Carmell Jones, Teddy Edwards und Jack Wilson) und Arrangements von Gerald Wilson („Sarah Sings Soulfully“). Und klar, nachdem es Roulette gelungen war, Vaughan von der Konkurrenz abzuwerben, entstanden auch weitere Aufnahmen mit Count Basie. Am Anfang steht eine Session vom Juli 1960 mit Vaughan, Basie und Joe Williams, bei der drei Stücke eingespielt wurden. Zwei Duette von Vaugahn/Williams, „If I Were a Bell“ (arr. Thad Jones) und „Teach Me Tonight“ (arr. Ernie Wilkins), erschienen auf einer Single, sowie ein drittes Stück ohne Williams, „Until I Met You“ (arr. Thad Jones), das damals unveröffentlicht blieb. Die kurze Session macht Freude, es wird schnell klar, wie viel Spass die Beteiligten an diesem Tag im Studio hatten. Vaughan lebte damals in Englewood Cliffs, NJ, und fuhr oft den kurzen Weg nach New York, wenn Basie dort spielte: „Oh, God, that’s my favorite band – my favorite person“, sagte sie über Basie im Gespräch auf WNEW mit William B. Williams. „Teach Me Tonight“ sang sie gerne, wenn sie im Birdland als Gast neben Williams und Basies Band auftrat. „If I Were a Bell“ sangen die beiden kurz vor der Session bei einer Gala im Madison Square Garden. Williams (auch bei WNEW): „Oh, man, you had to raise your game up a notch when you worked with Sarah!“

Das zweite ausgewachsene Album von Vaughan mit Basies Big Band entstand dann an vier Tagen im Januar 1961 – Basie und Vaughan traten damals im Birdland und im Apollo Theater auf (Basies übliche Routine um die Weihnachtszeit: nach einem Monat im Birdland noch eine Woche im Apollo). Kirk Stuart sitzt am Klavier, Frank Foster steuerte ein Arrangement bei (den Closer „Little Man, You’ve Had a Busy Day“), die zehn weiteren Stücke hat Thad Jones arrangiert. Das geht von „Perdido“ oder „Lover Man“ zu „Mean to Me“ oder „You Go to My Head“. Es gibt dazu auch Songs, die weit weniger bekannt sind (oder es nicht blieben), wie „Alone“ (Freed-Brown) oder „Until I Meet You (Green-Wolf).

Das meist Material hatte Vaughan schon in den Jahren davor aufgenommen oder gesungen. Die Meinungen über den Erfolg der Session gehen auseinander. John A. Tynan schrieb damals in Down Beat: „Any studio band from Local 802 could have served just as well, for all that the Basie men are present … as for Miss Vaughan, she waxes from the mediocre (Lover Man) to good (Mean to Me, You Go to My Head)“ … She’s done much better and is not really in her element here anyway. Her best groove always has been with a small group.“

Dennoch höre ich diese Aufnahmen sehr gerne. Schon im Opener „Perdido“ mit ihrem tollen Scat-Solo klingt Vaughan für meine Ohren bestens, die Band und sie harmonieren prächtig. Und das, obwohl Teddy Reig mit Blick auf die Zeit (Angst vor Mehrkosten bei Überzeit) Druck machte. Al Grey: „She was completely relaxed. She knew what she wanted to do, and she would just do it. And if you didn’t do it, she would tell you–maybe even go to the piano and sketch it out.“

Dass Basie bei diesen Alben meist nicht selbst am Klavier sitzt, hat in erster Linie damit zu tun, dass er nicht gerne Noten las und sich nicht wohl fühlte, wenn es darum ging, etwas Ausgearbeitetes zu spielen (das ist wohl dasselbe, was ihn davon abhielt, viele von Thad Jones‘ Arrangements ins Live-Repertoire aufzunehmen). „Most of the singers who made albums with us had pianists who understood the music more readily than Basie. Basie could read, but when it came to playing involved piano parts he usually bowed out and let someone who was more of a part-reader, so to speak, step in.“ (Frank Foster – alle Zitate aus den Liner Notes von James Gavin für die Mosaic 8-CD-Box „The Complete Roulette Sarah Vaughan Studio Session“, 2002).

Das CD-Reissue von „Count Basie / Sarah Vaughan“ aus den Neunzigern enthält als Bonustracks auch die drei Stücke von der Vaughan/Williams/Basie-Session.

Als vorläufig letztes Album aus der Roulette-Zeit steht noch „String Along with Basie“ an, bei drei Sessions 1959 und 1960 entstanden. Die erste vom 20. Juli 1959 zeitigte drei Stücke mit Ben Webster am Tenorsaxophon und Arrangements von Quincy Jones: ein Remake von Herschel Evans‘ Balladenfeature „Blue and Sentimental“, „These Foolish Things Remind Me of You“ sowie Jones‘ „Blues Bittersweet“. Auch dabei sind die drei Posaunen der Big Band (Al Grey, Henry Coker, Benny Powell) sowie Freddie Green (g), George Duvivier (b) und einmal mehr Jimmy Crawford (d) – und natürlich ein paar namentlich nicht bekannte Streicher, die dem Album den Namen geben.

Die Sessions vom 10. und 11. Mai 1960 hat dann George „The Fox“ Williams arrangiert – mit Streichern und derselben Rhythmusgruppe sind dieses mal Illinois Jacquet (ts), Frank Wess und Herbie Mann (fl) sowie Andy Fitzgerald (bfl, bcl) dabei. Letzterer ist in „Song of the Islands“ an der Bassflöte mit einem kurzen Solo (nah am Thema) zu hören, aber der Star ist natürlich Illinois Jacquet, der in den Vierzigern selbst kurze Zeit zur Basie Band gehörte*. Das ist am Ende ein Mix aus Mood Music und Jazz, das gewählte Material von unterschiedlicher Güte, Basie nicht immer gleichermassen engagiert. Herbie Mann wird übrigens in den Liner Notes nicht erwähnt – Frank Wess auch nicht. Ihre Flöten bleiben wie die Streicher die meiste Zeit in einer Nebenrolle. Jimmy Jones, der Ex-Pianist (und Arrangeur) von Sarah Vaughan, hat „Stringing the Blues“ beigesteuert (von Williams arrangiert, zu dem die anonymen Liner Notes die Namen Lionel Hampton und Jackie Gleason als Credits nennen) – und hier kriegen die Streicher etwas mehr Arbeit, werden riffend ins Arrangement eingebunden, statt Blech vs. Reeds für einmal halt Flöte vs. Streicher (und eine Harfe). Das funktioniert alles recht gut, aber die Hinhörer sind dann halt doch die Soli der beiden Saxophonisten, und manchmal auch das karge Klavier des Leaders, der oft Single Notes spielt und diese dann mit ein paar Akkorden aufbricht.

*) Jacquet sass auf dem Tenor-Platz, der einst Lester Young gehört hatte. Youngs Nachfolger waren: Paul Bascomb, Don Byas, Lucky Thompson, Young selbst Ende 1943 für ein knappes Jahr, und Jacquet ab Herbst 1944 mit einer fast jährigen Pause, in der Thompson ihn nochmal ersetzte, worauf bis Sommer 1946 Jacquet wieder übernahm. Sein Nachfolger war dann Paul Gonsalves, bevor dieser zu Duke Ellington wechselte. Auf dem Platz von Herschel Evans hatte kurz Chu Berry gesessen, dann blieb er eine Weile vakant, bis Buddy Tate im März 1939 auftauchte – und der blieb dort über all die Jahre, neben den gerade genannten Young-Nachfolgern, bis irgendwann 1947/48. Zwischen Dezember 1947 (noch mit Tate) und September 1948 mit Tates Nachfolger Wardell Gray (an der Seite von Gonsalves) gibt es keine Aufnahmen. Gray blieb dann auch 1950/51 in der Band, als Basie diese auf ein Oktett reduzierte, und gehörte im Mai 1951 noch dazu, von wo es wieder eine erste Big Band-Session (für WNEW) gibt. Der einzige Musiker der früheren Band und des Oktetts, der aber im Januar 1952, als es mit der „New Testament“-Band so richtig losging, noch dabei war, war allerdings Jimmy Lewis am Bass; neben Basie und Freddie Green, versteht sich – und wo ich mich hier eh schon in Kleinigkeiten verliere: Green hatte neben der Gitarre in der neuen Band noch eine andere Schlüsselfunktion: er gab Daumen hoch oder runter, was den Verbleib der Bassisten und Schlagzeuger in der Rhythmusgruppe angeht.

PS: Das Album mit Sammy Davis Jr. habe ich gerade bestellt, scheint ja ziemlich gut zu sein. Und ich sehe, dass 1958 auch noch eins mit Nat „King“ Cole aufgenommen wurde, „Welcome to the Club“ (Capitol, Gerry Wiggins am Klavier), auf CD auch auf „Big Band Cole“ mit vier Stücken, die Cole mit der Band von Stan Kenton aufgenommen hat – muss ich auch mal noch besorgen.

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