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Nach den Alben mit Joe Williams, Sarah Vaughan und Williams mit Lambert, Hendricks & Ross ging es weiter im November 1958 (die Japan-CD von 2015 sagt Januar 1959) wurde für ein erstes Album mit Tony Bennett aufgenommen. Bennetts Pianist Ralph Sharon sitzt wohl die meiste Zeit am Klavier, aber Basie selbst war auch dabei. Mit „Life Is a Song“ geht es äusserst entspannt im mittelschnellen Tempo los, Joe Newmans Trompete ist mit dabei und Basie am Klavier. Für „Plenty of Money“ zieht das Tempo an und wir sind im typischen Basie-Territorium, aber die paar Basie-typischen Klavier-Kürzel am Anfang stammen allerdings von Sharon. Frank Foster soliert am Tenor und Henry Coker begleitet Bennetts letzten Chorus. Für „Jeepers, Creepers“ bleibt das Tempo ähnlich – das ideale Basie-Tempo halt, gestopfte Trompeten und Greens prominente Gitarre hinter Bennett, dann der typische Basie-Saxophon-Satz – leider weiss ich nicht, wer die Stücke arrangiert hat. In „Jeepers, Creepers“ ist dann auch der zweite und bereits letzte Auftritt von Basie selbst zu hören, der auf den neun anderen Stücken Sharon den Platz am Klavier überlässt. Bennett ist auf dem ganzen Album in exzellenter Form, er findet in den Musikern von Basie immer wieder kongeniale Partner, zum Beispiel Al Greys redselige Posaune in „Are You Havin‘ Any Fun“. Ein Highlight ist das folgende „Anything Goes“, in dem Bennett auch eine kurze Scat-Passage einstreut (und Sharon im Intro wieder seine beste Basie-Imitation auspackt). Die erste Seite schliesst mit „Strike Up the Band“ und einem starken Beitrag von Billy Mitchell.
Für „Chicago“, den Opener der zweiten Hälfte, bleibt das mittelschnelle Tempo. Dann folgt eine Ballade mit Posaunenchor und Saxophonen, „I’ve Grown Accustomed to Your Face“. Joe Newman ist in beiden Stücken zu hören, nimmt quasi den Part ein, den sein Basie-Vorgänger Harry Edison bei Sinatra spielte. Auch in „Accustomed“ vokalisiert Bennett eine kurze Passage. Die Freiheit, mit der er auf dem Album seine Parts gestaltet – natürlich im Wissen um die super tighte Band hinter ihm – macht wirklich grosse Freude. In „Poor Little Rich Girl“ scheint er dann schon mal schnell den Beat auf den Kopf zu stellen, bevor er mit der Band zusammenfindet. Und hier kriegt dann auch Thad Jones einen Moment im Rampenlicht – den Song hat Noel Coward komponiert, ich kannte ihn davor nicht (kann mich zumindest nicht erinnern) – und das ist definitiv ein Highlight hier. Und das ist auch das nächste Stück, das ich gestern drüben fälschlich Dietz-Schwartz zuschrieb, es ist von Schwartz und Dorothy Fields: „Growing Pains“. Hier singt Bennett quasi im Duett mit der akustischen Gitarre von Freddie Green, Ralph Sharon setzt sich an die Celesta, Eddie Jones nimmt den Bogen hervor und Frank Wess streut ein paar Flötenlinien ein. Den Abschluss macht dann wieder eine mittelschnelle Nummer, „I Guess I’ll Have to Change My Plans“ – und hier wird wieder dieser für Basies „Atomic“-Jahre so typische Mix aus „abandon“ und Kontrolle hörbar (den übrigens der hier toll aufspielende Sonny Payne in sich auch verkörpert). Bennett setzt sich da drauf bzw. mitten rein und scheint diesen gleichen Spirit zu atmen. Sehr, sehr schön. Und 28 Minuten kurz, so dass ich das Album seit vorgestern schon viermal angehört habe.
Nicht weil’s so schön ist, sondern weil solche Deals mit Gegendeal zustande kommen, gab es mit „In Person!“ auch ein Album für Bennetts Label, Columbia – an zwei Tagen im Dezember 1958 aufgenommen (kurz vor oder nach dem Roulette-Album also). Bennett war am 28. November 1958 im Latin Casino in Philadelphia mit Basies Band aufgetreten, das Konzert wurde mitgeschnitten, doch die Bänder erwiesen sich als unbrauchbar. Also ging Mitch Miller mit den Musikern ein paar Wochen später in New York ins Studio und mischte im Nachhinein Applaus und Ansagen von Bennett bei. Ich habe eine Kopie einer alten CD-Ausgabe, das günstige 2013er-Reissue habe ich leider verpasst – jedenfalls ist das Album da als die Studio-Session, die es eigentlich war, wiederhergestellt. In der Tendenz finde ich das Album für Basies Label ein ganzes Stück besser, und spielen wohl auch diese seltsamen Produktions-Umstände eine Rolle. Dazu kommt: Basie spielt gar nicht mit, es sind viel mehr Balladen zu hören, Cándido Camero ergänzt die Rhythmusgruppe auf „Fascinating Rhythm“ und dem Closer „Ol‘ Man River“ (mit rasender Flöte von Wess hinter Bennett) an den Bongos, arrangiert hat wohl alles Ralph Sharon, der Pianist der Sessions – und am Ende klingt das alles deutlich weniger frisch als das Roulette-Album. Die beiden Plattencover machen ja grad in der Gegenüberstellung auch eine Aussage. Und klar hat die Band auch auf dem Columbia-Album einen hervorragenden Auftritt, und dieses ist keineswegs schlecht. Aber das Roulette-Album liegt deutlich vorn.
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