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Sarah Vaughan hat Ende der Fünfziger mehr Pop als Jazz aufgenommen – aber ihre zwei Jazz-Alben von 1958 gehören zu ihren schönsten. Am 7. März schnitt Mercury sie live im London House in Chicago mit, und neben dem üblichen Trio, in dem Richard Davis am Bass hervorsticht, wirken vier Bläser aus der Basie-Band mit: Wendell Culley und Thad Jones (t), Henry Coker (tb) und Frank Wess (ts). Ronnell Bright und Roy Haynes vervollständigten das Trio. Wess glänzt immer wieder – nach „Like Someone in Love“ bedankt Vaughan sich und sagt: „I think Frank Wess sounds pretty good.“ Richard Davis prägt das Album vom Bass aus, spielt aber nur in „You’d Be So Nice to Come Home To“ ein ausgewachsenes Solo. In „All of You“ spielt auch Thad Jones ein schönes Solo, Henry Coker kommt in „Detour Ahead“ zum Zug. Das Highlight ist aber zweifellos Kurt Weills „Speak Low“, quasi als Duett mit Davis gespielt (und zurückhaltender Begleitung von Bright/Haynes), in dem Vaughan ihr immenses, nahezu opernhaftes Können demonstriert. Perfekt ist auch sie nicht, sie verhaspelt sich in „Thanks for the Memory“ beim Wort „Parthenon“, bricht zwei Takes ab – „I don’t get that word!“ – das Solo an der gestopften Trompete ist dann zweifellos von Wendell Culley.
Das ist aber in diesem Basie-Kontext nur der Auftakt zum Album „No Count Sarah“, das bei einer Sessions im Januar und zweien im Dezember 1958 mit der Basie Big Band eingespielt wurde – in „Thanks for the Memory“ singt sie auch schon von „swingin‘ Basie tunes“. Basie selbst ist abwesend, wie der Titel schon ahnen lässt, das Album quasi um eine Leerstelle herum gebaut. Hal Mooney leitet die Band, Bright und Davis bilden mit Freddie Green und Sonny Payne die Rhythmusgruppe. Basie war damals ein so bekannter Name, dass seine New Yorker Homebase, das „Birdland“, im Gegensatz zur üblichen Praxis keine Ankündigungen mit Superlativen veröffentlichte, sondern schlicht „Basie’s Back“ schrieb – und jeden Abend war der Laden ausverkauft.
Auf dem Album mit Vaughan sind ein paar Klassiker zu öhren, unter anderem „Smoke Gets In Your Eyes“ (Royals Lead-Alt im Intro ist pures Drama – und Vaughan steigt dann mit einem Glissando à la „Rhapsody in Blue“ ein), von Luther Henderson arrangiert, „Just One of Those Things“ (Foster), „Darn That Dream“, „Moonlight in Vermont“ und „Stardust“ (keine Angabe zu Arrangeuren), „Cheek to Cheek“ (Thad Jones), aber auch ein paar jüngere Stücke: Horace Silvers „Doodlin'“ (keine Angabe zum Arrangeur, Lyrics von Jon Hendricks) und „Missing You“ von Ronell Bright (arr. Johnny Mandel), dazu das von Vaughan zusammen mit Thad Jones geschriebene Titelstück. Der Einstieg mit „Smoke“ ist irreführend, auf das tolle Intro folgt eine eher süssliche Konzertballade – doch mit „Doodlin'“ danach taucht der typische Basie-Groove auf. Green ist etwas im Mix verborgen, aber wie üblich hält er die Fäden in der Hand (grad bei dem rhythmisch oft etwas grosszügigen Payne war das zentral) – und harmoniert perfekt mit Richard Davis. Und wenn ich nach den Sessions von 1962 hierhin zurück springe, bin ich wirklich dabei, dass die Band, die Basie bis vor dem Exodus zum Jahreswechsel 1961/62 geleitet hatte, vielleicht seine allerbeste war. Übrigens fehlt hier im Line-Up Wendell Culley – er wird von Sonny Cohn ersetzt, der später tatsächlich Culleys Posten übernahm (zwischenzeitlich hatte ihn aber John Anderson inne, danach folgte Cohn).
Ich höre dieses Album (und auch das aus dem London House, sowie vier weitere aus den Jahren davor) übrigens aus dem 4-CD-Set „Divine: The Jazz Albums 1954-1958″ von 2013, eine dieser 7“-CD-Boxen, die etwas früher unter dem Etikett „Hip-O-Select“ los gingen und wirklich fein aufgemacht sind:
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