Antwort auf: Count Basie

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Im Januar 1960 hatte die Band auch wieder eine Woche im Apollo in New York angehängt, nach dem üblichen mehrwöchigen Birdland-Gig. Trompeter John Anderson wurde durch Sonny Cohn ersetzt, der schon 1958 auf dem Mercury-Album mit Sarah Vaughan (damals noch für Wendell Culley) eingesprungen war. Mitte Januar stiess Cohn für gut dazu und blieb lange (auf dem Foto oben sind Cohn und Basie im November 1980 in Oslo zu sehen). Die Band zog für die „winter season“ ins Blue Note in Chicago weiter, inzwischen auch ein regelmässiger Gig. Erst Mitte März kehrte sie nach New York zurück. Dann ging es nach Europa, und nach der Rückkehr im Juni 1960 folgte eine Reihe Roulette-Sessions. Die Band spielte derweil zum zweiten Mal nach 1959 im Waldorf Astoria – im Vorjahr war sie die erste schwarze Band, die dort („the prestigious and snooty venue“, so Sheridan) auftreten konnte – „the returned underlined their popularity, if not any general easing of racial attitudes“.

Elf Sessions wurden zwischen dem 7. Juni und dem 13 Juli einberufen, mit dem Plan, neue Versionen des Buchs der alten Basie Band („old testament“) einzuspielen. Das Material erschien in erster Linie auf zwei „Best of Basie“ betitelten LPs und später auf der Doppel-LP „The Count Basie Story“ wieder (von der es 2004 auch ein CD-Reissue gab). Hier sind Frank Foster und Billy Mitchell am Tenorsax häufig gehörte Solisten – oft beide im selben Stück, ganz wie zu Zeiten von Lester Young und Herschel Evans. Joe Newman übernimmt natürlich die Trompetensoli mit Dämpfer, wie sie früher Buck Clayton und „Sweets“ Edison oft spielten, Henry Coker soliert auch mal unter Verwendung eines Motifs von Dicky Wells. Thad Jones ist u.a. in „Jumpin‘ at the Woodside“ zu hören – der Ausnahme, insofern das Stück seit 25 Jahren ständig im Repertoire der Band zu finden war und noch ebenso lange dort bleiben sollte. Und natürlich ist auch Basie selbst immer mal wieder zu hören. Die neuen Arrangements stammen alle von Frank Foster – mit ein paar Ausnahmen, die halt weiterhin als „head arrangements“ liefen: „Jumpin‘ at the Woodside“ und „Lester Leaps In“ – da soliert Foster und hat ein paar Riffs ergänzt, die auf der originalen Aufnahme basieren.

In „Blue and Sentimental“ spielt der neue Lead-Trompeter Cohn den viertaktigen Break von Ed Lewis‘ getreu nach – aber ohne Dämpfer. Das Tenorsolo (im Original natürlich von Herschel Evans) gehört hier für einmal Frank Wess, der sonst in diesen Jahren in der Section am Altsax zu hören ist und als Solist meist Flöte spielt (in „Doggin‘ Around“ ist er auch mal am Altsax zu hören). Marshall Royal ist hier auch mal an der Klarinette zu hören – eleganter als wenn er sein süssliches Balladen-Alt auspackt.

Der Opener der ersten Session, „The Daly Jump“, war dem DJ „Daddy-o“ Daylie gewidmet – der auch dank einer Widmung auf Cannonball Adderleys „Somethin‘ Else“ weiterhin wenigstens namentlich bekannt ist. Dieses Stück von Freddie Green (er hat es zusammen mit Basie auch arrangiert) erschien dann auf der nächsten LP mit neuem Material, „Not Now, I’ll Tell You When“. Auch Foster/Basies „Back to the Apple“ und Thad Jones‘ Arrangement von Styne/Sondheims „Mama’s Talkin‘ Soft“ erschienen auf „Not Now“ – letzteres ist ein „surprisingly resourceful concerto for walking bass“, also für Eddie Jones, wie Chris Sheridan schreibt.

Diese Remakes machen viel Freude, Fosters Arrangements sind gekonnt, die guten guten Soli machen Spass – aber ich finde dieses Material dann doch eine Spur weniger toll als das, was die Musiker der Band – Foster, Wess und v.a. Jones – damals sonst an eigenem neuen Material im Angebot hatten.

Joe Williams ist lange Zeit abwesend, erst bei der achten Session muss er in den sauren Apfel beissen: er hatte sich stets bemüht, nicht mit dem übermächtigen Mr. Five by Five, Jimmy Rushing, dem Sänger der OT-Band, verglichen zu werden. Doch jetzt galt es, sich durch „Boogie Woogie“ (von der 1936er Jones-Smith Inc. Small-Group-Session) und „Sent for You Yesterday“ zu kämpfen. Gerade im ersten hatte Foster einige Arbeit: das Original gehörte ganz Rushing, dazu gab’s ein Trompetenobbligato (von Carl „Tatti“ Smith, dem nominellen Co-Leader der Combo, in der es keinen Herrn Smith gab), für das Remake hat Foster einiges an Bläser-Material komponiert und einen Rahmen für Soli von Joe Newman und vom eigenen Tenorsax geschaffen.

Bei der sechsten und neunten der Sessions (die neun fanden in zweieinhalb Wochen statt!) – es gab sonst immer zwei an aufeinanderfolgenden Tagen, das sind dann jeweils die am dritten Tag in Folge – entstanden jeweils drei weitere Stücke für „Not Now“: „Rare Butterfly“ (Foster), „Blue on Blue“ (Wess) und das Titelstück der LP, „Not Now, I’ll Tell You When“ (Jones) (sowie Earle Warrens „9:20 Special“, eins von Fosters Remakes für die „Best of“-Alben) bzw. „Swingin‘ at the Waldorf“ (Wess), „Sweet and Purty“ (Jones) und Kern-Hammersteins „Ol‘ Man River“ (Jimmy Mundy). Der Schmetterling von Foster kommt mit Flöte und Klarinetten daher und bietet Al Grey die Gelegenheit zu einem schönen Solo. „Blue on Blue“ ist eine Riff-Nummer, die auch ins Repertoire der „old testament“-Band gepasst hätte – hier hören wir Coker, Wess am Tenor und Snooky Young. Jones‘ Titelstück ist für Basies Klavier eingerichtet – es hiess zuerst „Cap’n Bill“, weil William James Basie gerne eine Seemannsmütze trug (zu sehen z.B. auf dem Cover der späteren Command-LP Hollywood … Basie’s Way). Die Widmung an den neuen Juni-Gig im Waldorf ist elegant, im mittelschnellen Tanz-Tempo, die Band phrasiert knackig, ja fast spitz, und Henry Coker soliert über dem Ensemble. Er ist auch in Jones‘ Stück der Hauptsolist, hier ist dann aber auch Kollege Al Grey zu hören und in der Coda Marshall Royal. „Ol‘ Man River“ – die eine alte Nummer auf „Not Now“, ist in der Zwischenzeit noch schneller geworden. Die Tempoangaben gibt netterweise Sheridan im Booklet immer wieder. Hier sind’s 406 für den Viertel, und da sind Bläsersoli nicht mehr wirklich sinnvoll, das ist also ein Feature für den Drummer, den so effektvoll aufspielenden Sonny Payne.

Ende Juni schloss die Band im Waldorf ab und zog nach einer Woche von One-Nightern für zwei Wochen ins Birdland. In dieser Zeit wurden noch einmal zwei Sessions einberufen, bei denen die letzten fünf Stücke für die OT-„Best Of“-Alben eingespielt wurden. Bei der zweiten Session am 13. Juli 1960 sprangen Jimmy Nottingham und Seldon Powell für Thad Jones und Frank Foster ein – und beide kommen sie in „Time Out“, einem Eddie Durham-Stück von 1937 auch gleich zu Solo-Ehren. Damit schliesst die grosse „old testament“-Retrospektive. Und das Album mit neuem Material war auch schon im Kasten.

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