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Anonym
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Was lese ich im Moment? Das wäre zu viel gesagt, seit Wochen begleiten mich zur Nacht Fritz J. Raddatzens Tagebücher – er, ein wenig wie eine Mamsell, sagte oft, es müsste Nachtbücher heißen, weil er sie schließlich zur Nacht schriebe. Darüber, über diese Kinkerlitzchen hätte ich gerne mit ihm gesprochen. Ich notiere also:
Nicht als e-book, die Bücher liegen auf dem Nachttisch. Es sind Tagebücher des Verzweifelns, und mir drehen sich die Eingeweide, wie verdorben, verrottet das Feuilleton, die Künstler sind. Zweifel hatte ich immer, kenne genug, aber das, was FJR berichtet, ist das Fuhrwerk zur Hölle.
Es sind keine Seiten, die auf die anderen alles abschieben wollen. Sonst könnte ich das gar nicht gelesen haben wollen (hoppla). Zwei Stränge: Der kühle, tieflodernde Bericht über die Kollegen, die eigenwilligen Gepflogenheiten bei der Tante ZEIT, die Unhöflichkeiten der Autorenleute. Der zweite Strang: der Tod, der Selbstzweifel. Immer wieder eingeflochten. Dieu, der Mann hatte einen Francis Bacon an der Wand und keiner von den hochrangingen Besuchern sieht das. Und er fragt sich immer: Habe ich ein Werk oder bin ich nur Journalist?
Mir ist die Lektüre der Tagebücher eine Zwischenetappe, ich kenne seine Arbeiten längst zuvor. Aber da irgendwann der Tag ist, auch mit Toten befreundet sein zu wollen, ist mir diese Lektüre gerade recht gewesen.
Ungeheurlich die Dummheit des Verlags. Da wird Dumm-Schirrmacher zitiert, das sei der große Gesellschaftsroman der Bundesrepublik – tja, Tagebücher sind aber kein Roman. Elke Heidenreich darf auch nicht fehlen, die wieder nichts zu sagen hat: „Selten lasen sich fast Tausend Seiten so spannend“. Klar, alles muss spannend sein. Und Rainald Goetz, der Kauderwelscher, wusste noch nicht bei seiner Eloge zum ersten Band, dass er im zweiten Band sehr, sehr schlecht beurteilt wird. Alles Geier.
Das ist alles sehr traurig und leider auch dämlich.
Ruhe in Frieden, Fritz J. Raddatz.
Nota bene: In einem Schinken über die Intellektuellen in Deutschland, von einem Dierks, kommen weder Amery noch Raddatz vor. Das Schweigen, das Verschweigen nimmt kein Ende.
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