Antwort auf: Return of the GrievousAngel: Persönliche Schätze aus der weiten Welt der Kunst

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ANGEL OLSEN – Big Time (2022)

Dann werde ich stattdessen noch ein paar Zeilen über meine liebste Künstlerin auf der Welt schreiben. Immerhin hat sich Angel ja Anfang des Monats mit einem neuen Album zurückgemeldet.

Seit dem letzten Album All Mirrors sind mittlerweile auch schon wieder fast drei Jahre vergangen. In der Zwischenzeit war sie aber alles andere als untätig, hat mit Whole New Mess eine stripped down-Version von ebendieser opulent produzierten LP, ein Box-Set mit beiden Versionen und Extra-Tracks sowie eine EP veröffentlicht, auf der Angel einigen bekannten 80s-Hits die Ehre erweist. 

Nebenbei verlor die mittlerweile 35-Jährige in dieser Phase ihres Lebens auch in kurzem Zeitabstand beide Adoptiveltern, die sie immerhin noch rechtzeitig über ihre – bald darauf auch öffentlich kommunizierte – Homosexualität in Kenntnis setzen konnte. Auch wenn damit meine Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft endgültig begraben werden mussten, freue ich mich sehr für Angel und diesen Schritt.

In Anbetracht dieser Umstände lässt sich konstatieren, dass Big Time diese ereignisreiche Zeit sehr gut einzufangen scheint. Irgendwo zwischen vom doppelten Abschied gezeichneten Kummer, Dankbarkeit und Befreiung finden wir Angel auf den zehn Tracks anmutiger als je zuvor. Von dem schwelgerischen Pomp des Vorgängers ist nicht viel übriggeblieben, nur hie und da schicken sich die Musiker unter der Leitung von Jonathan Wilson und Angel selbst an, das Klangbild in Richtung bombastischer Verdichtung ausufern zu lassen.

Abgesehen davon setzt man hier mehr auf Zurückhaltung, die den persönlichen Texten entgegenkommt. Die gelegentlich einsetzende Pedal Steel gibt vor allem dem schönen Titeltrack den größten Country-Vibe seit ihrem Debüt Half Way Home. Wir hören auf der LP generell sehr tolle Arrangements mit Streichern, Orgel oder Cembalo, aber wie gewohnt ist es Angels göttliche Stimme, die die ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wie sie da immer wieder von der Vergangenheit („The past is with us, it plays a part / How can we change it? How do we start?“) bzw. allgemein der Zeit und Veränderung oder dem Leben und der Liebe singt, ist nicht weniger beeindruckend als am Erstwerk vor mittlerweile zehn Jahren. 

Obwohl ich es noch nicht lang besitze und dementsprechend noch keine innige Beziehung zu den einzelnen Songs aufbauen konnte, halte ich Big Time wieder für ein ganz tolles Album und eine schöne Weiterentwicklung. Big Time ist eine Aufarbeitung von Vergangenheit und Gegenwart, eine Rückbesinnung auf simplere Dinge, Natur und die eigene Persönlichkeit hinter all den Spiegeln sowie nicht zuletzt eine wunderschöne LP zwischen sommerlich verträumter Wärme, luftigen Songstrukturen und einer Protagonistin, die sich mal wieder selbst erfindet und damit verdammt viel richtig macht. Und solange sie Zeilen wie „And I can’t fit into the past that you’re used to, I refuse to“ dieser magischen Mischung aus schmerzvoller Sehnsucht und graziler Bestimmtheit vortragen kann, für die ich Angel einst lieben gelernt habe, werde ich jeden Weg mitgehen und immer an ihren Lippen hängen.

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