Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

#11807639  | PERMALINK

Anonym
Inaktiv

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gypsy-tail-wind Das allgemeine Unbehagen Wagner gegenüber läuft glaub ich auf zwei Schienen: einerseits finde ich die Musik von Wagner unangenehm suggestiv (das hat jetzt erstmal nichts mit „schön“ oder „gut“ oder dem Gegenteil davon zu tun) – ich empfinde beim Hören, und das ist beim „Parsifal“ sehr ausgeprägt, ein fortwährendes Unbehagen, einen intellektuellen Widerwillen gegen den „Mief“, der von dieser Musik ausgeht (wie lautet das Bonmot von Hanslick? ob es nicht Musik gebe, die man stinken höre? der „Parsifal“ stinkt zum Himmel!), ich widerstrebe – unmittelbar wie auch intellektuell – den Überwältigungsmechanismen, die da eingebaut sind. Die intellektuelle Schiene ist die zweite, dass ich lieber Nietzsche lese statt Wagner usw., dass mir der Künstler Wagner unsympathisch, der um ihn gemachte Kult zuwider ist – und an diesem Kult ist er ja keineswegs unschuldig. Das gehört dann auch schon zur „Stellung“, es gibt ja auch heute in Klassik-Kreisen Leute, die ihn nahezu abgöttisch verehren, keine grössere Kunst als die von Wagner kennen, ja keine vergleichbar grosse zu akzeptieren bereit sind. Ich weiss nicht, ob das eine Rolle spielt, aber ich lese (oder gucke) auch keine Fantasy-Epen, um die Welt besser zu verstehen. Das ist am Ende alles eine Frage von Interessen, Vorlieben, unterschiedlich (geschulten/vorgespurten) Wahrnehmungen … aber dieses Unbehagen geht bei mir selten weg.

Hm. Irgendwie kommt man gerade bei Wagner nicht weiter – und um es gleich oder vermutlich nochmals  zu sagen: Ich bin kein Wagnerianer. Ich kann das alles nachvollziehen und brauche Wagner auch wirklich nicht für meinen Platz im musikalischen Himmelbett. Die Verehrung interessiert mich nicht; hier um die Ecke steht eine Wagner-Büste im Garten, ist doch einfach albern. Und was den musikalischen Gehalt oder wie das heißt angeht, müsste man wohl bei Schönberg vor allem nachfragen. Der „Parsifal“ hat nun einmal schöne Sachen und wenn man einen Blindfoldtest machen würde, würde kein Mensch erfahren, dass die Musik antisemitisch sei. Zumal Wagner da ziemlich viel von Mendelssohn klaut, was eine eigene und weitere Friktion ist. Kurz, ich brauche Wagner nicht, höre sein Zeug aber von Zeit zu Zeit.

Anders geht es mir mit den anderen Worten von Dir: Den Vorwurf, oder Anwurf, dass Wagners Musik zu suggestiv sei, kannst Du an jede Musik richten, egal, welches Genre. Sie ist immer eine Überredung. Musik an sich könnte einem suspekt erscheinen. Übrigens auch Nietzsche, den ich auch lieber lese als Wagner (von Nike Wagner mal abgesehen, und auch sie nur mit Vorbehalten). Aber auch er, besonders in seinen Wagner-Geschichten, ist suggestiv.

Ergo, was stört an Wagner? Man möchte ihn gern hören, kann es aber nicht, darf es nicht? Ich fürchte, da gibt es keinen Ausweg, außer den schlichten: völlige Ablehnung, völlige Zustimmung. Diese Lösungen finde ich uninteressant. Mache einfach weiter im „Ring“, zu dem ich es noch nie vollständig geschafft habe. Aber ich erinnere gerne daran, dass die Filmmusik in „Le Mépris“ auf Wagner beruht. Et Götterdämmerung.

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