Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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27.05.2022 – Basel, Stadtcasino – Kammerorchester Basel, „Ziemlich beste Freunde“

Joseph Martin Kraus (1756 – 1792)
Ouvertüre zur Schauspielmusik «Olympie» VB 33
Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)
Konzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester C-Dur op. 56 «Tripelkonzert»

Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67

Kammerorchester Basel
Giovanni Antonini
, Leitung
Isabelle Faust, Violine
Sol Gabetta, Violoncello
Kristian Bezuidenhout, Klavier

Zwei Tage, zwei Konzerte – in Basel davor noch ein Gang durch ein paar Ausstellungen des Kunstmuseums, das durch seine Erweiterung so gewachsen ist, dass es in einem Tag nicht mehr geschafft werden kann (ausser von Leuten, die acht Stunden lang aufnahmefähig sind). Dabei stolperte ich auch über das Memento Mori aus dem Toggenburg, ca. 1820.

Das Konzert war der Saisonabschluss des Kammerorchesters und den Besuch auf jeden Fall wert. Das Stadtcasino war fast ausverkauft, die Stimmung bestens – und schon in der wunderbare Ouvertüre wurde auf der Stuhlkante musiziert, beweglich, reaktionsschnell, auf den Punkt. Dabei geht das KOB aber nie so auf den Effekt, wie Antonini das mit seinem eigenen Ensemble, Il Giardino Armonico, pflegt. Eine Umbaupause gab es glücklicherweise nicht, der Flügel stand schon bereit, die Solistinnen und der Solist stiessen dazu, und es folgte eine ebenso wache Sicht auf das seltsame Ding, das das Tripelkonzert Beethovens ist. Im Programmheft wurde nahegelegt, es handle sich um ein verkapptes Cellokonzert, in der Einführung ins Konzert erzählten zwei Musiker und der Autor des Programmhefts, dass die beiden Streicher dem Beethoven-Schüler, der am Klavier sass, als eine Art Schutz beigesellt wurden, falls es bei diesem doch nicht so rund laufen würde bei der Aufführung. Das schliesst sich natürlich nicht aus. In der Umsetzung stimmte manchmal die Balance nicht so gut, fand ich. Faust und Gabetta fanden zwar einen immer wieder beglückenden Zusammenklang, Bezuidenhout traktierte den Konzertflügel (der Deckel war nur zwei Handbreit geöffnet) wie einen Hammerflügel, war auf ein möglichst gleichmässiges Spiel ganz ohne Gewaltsdonner aus, wobei der Flügel natürlich ein „jeu perlé“ erlaubt, wie es am Hammerklavier nicht zu haben ist (wobei, wenn einer dies hinkriegt, ist es für meine Ohren Bezuidenhout). Das Cello ging jedoch in seinen solistischen Passagen manchmal ein wenig im Gesamtklang unter. Gabetta konnte sich hie und da frei spielen, tat dies ohne die Schärfe, die ich bei ihr manchmal zu hören glaube. Auch Faust klang warm, rund. Die Umsetzung war auf jeden Fall tatsächlich kammermusikalisch im Geist und auch im Klang, das Orchester wurde zum Partner auf Augenhöhe, und in sich fand ich das am Ende schon sehr stimmig. Als Zugabe folgte das „Adagio“ aus dem „Gassenhauer-Trio“ (Op. 11) von Beethoven.

Nach der Pause dann für mich das Highlight. Gab’s nach dem ersten Satz des Konzerts (verdienten) Zwischenapplaus, so hielt Antonini dieses Mal die Hände oben, um fast ohne Unterbruch in den zweiten Satz überzugehen (nach Satz II durfte gehustet werden, die Sätze III und IV werden ja eh am Stück gespielt). Auch hier agierte das Kammerorchester Basel hellwach, gestaltete unter Antonini eine sehr hörenswerte, klare, transparente Sichtweise, die mich wirklich vollkommen überzeugte. Den Beethoven von KOB/Antonini gibt es ja auch bereits auf CD, ebenso das Tripelkonzert (mit Lazic, Carmignola und Gabetta), aber ich kenne die Einspielungen nicht. Das KOB spielt regelmässig Zugaben – und bei einem so schlanken Konzertprogramm (ca. 70-75 Minuten Spieldauer) liegt das auch drin – und wenn sie dann so gut sind, wie die dieses mal zu hörende Ouvertüre der „Geschöpfe des Prometheus“, ist das auch musikalisch überaus hörenswert. Das ganze ergab ein sehr rundes Programm und einen schönen verspäteten Blick auf Beethoven für mich, der ich in Sachen Jubiläumsjahr sonst gar nichts mitgekriegt hatte.

28.05.2022 – Zürich, Opernhaus

Rheingold
Richard Wagner (1813-1883)
Vorabend zum Bühnenfestspiel «Der Ring des Nibelungen»
Libretto von Richard Wagner

Musikalische Leitung Gianandrea Noseda
Inszenierung Andreas Homoki
Ausstattung Christian Schmidt
Lichtgestaltung Franck Evin
Künstlerische Mitarbeit Bühnenbild Florian Schaaf
Dramaturgie Beate Breidenbach, Werner Hintze

Wotan Tomasz Konieczny
Donner Jordan Shanahan
Froh Omer Kobiljak
Loge Matthias Klink
Fricka Patricia Bardon
Freia Kiandra Howarth
Erda Anna Danik
Alberich Christopher Purves
Mime Wolfgang Ablinger-Sperrhacke
Fasolt David Soar
Fafner Oleg Davydov
Woglinde Uliana Alexyuk
Wellgunde Niamh O’Sullivan
Flosshilde Siena Licht Miller

Philharmonia Zürich
Statistenverein am Opernhaus Zürich

Gestern dann die Derniere des Auftakts zum neuen Zürcher Ring. Offiziell war die Vorstellung ausverkauft, doch es blieben ein paar Dutzend Plätze leer. Gehustet wurde auch, als wäre es ein nasskalter Februar, erst nach einer halben Stunde hatten sich alle Neuriotiker*innen bemerkbar gemacht – echt störend, nicht mal die ersten Liegetöne konnten in Ruhe gelassen werden. Aber das war schnell vergessen. Die Musik der Rheintöchter ist über weite Strecken so überirdisch schön, wie es mit dem Vorspiel losgegangen war. Die deutungsarme Sichtweise von Homoki – im Gespräch sagt er, die Produktion wolle „nicht die Deutung der Vorgänge bringen will, sondern die Vorgänge selbst, so spielerisch, sinnlich, emotional, traurig, lustig, überraschend und unterhaltsam wie möglich“ – lässt gerade der Musik sehr viel Raum. Und das fand ich auch gut so, denn die Dialoge sind, wie drüben gestern angemerkt, wirklich oft ziemlich albern. Dass Homoki das Drama Wagners als „Konversationsstück“ begreift, bei dem das Timing, die Schauspielführung umso wichtiger ist, verhalf dem Abend zu einer äusserst präzisen, von den Abläufen und Tempi her für mein Empfinden sehr stimmigen Fluss. Der grosse Star war das Orchester unter Gianandrea Noseda, dem neuen Chefdirigenten der Oper Zürich. Vielleicht ist da auch eine Portion Sentimentalität und Lokalpatriotismus dabei, aber ich bin vom Orchester immer wieder begeistert, sei es mit Wagner oder Verdi, mit Puccini oder Strauss, aber auch mit Mozart oder Rossini und mit Zeitgenössischem von Lachenmann oder Holliger. Der Farbenreichtum der Musik, die schöne Ausgestaltung der Motive, bei der auch die heftigsten Blechbläserpassagen nie allzu plump oder überzeichnet wirkten (was man von den Figuren auf der Bühne ja nicht behaupten kann), das hat mich wirklich überzeugt. Der Raum ist halt auch klein genug, als dass er zum Kochen gebracht werden kann – das klappt nach meinem Empfinden auch da, wo es sich anbieten würde, in grossen Häusern wie der Scala einfach nicht auf die gleiche Weise. Von den Figuren auf der Bühne war es der Loge von Matthias Kling, der den meisten Raum einnahm, auch zum Publikum sprach, seinen Spielmacher-Part auf der ganzen – sich unablässig drehenden – Bühne präsent machte. Dass Konieczny neben ihm und auch den hervorragend agierenden Ablinger und Purves momenteweise etwas farblos blieb, wie de NZZ vor fast vier Wochen im Premierenbericht geschrieben hatte, kann ich so nachvollziehen, der Eindruck hatte sich mir aber nicht aufgedrängt. Kling hatte vom Schauspielerischen her die dankbarste Rolle und füllte diese völlig aus, die anderen agierten etwas statischer, blieben jedenfalls im Bühnenraum. Für meine Ohren war das musikalisch wahnsinnig gut, auf der Bühne stimmig umgesetzt (und nochmal: perfekt getimt), mit einem ausgeglichenen Ensemble, einem hellwachen Orchester mit einer riesigen Palette an Klängen, das sehr transparent klang und nie die Sänger*innen zudeckte. Ein gelungener Einstieg in den Ring (der in der kommenden Saison im Herbst und Frühjahr mit Teilen 2 und 3 fortgesetzt und dann im Herbst 2023 bereits abgeschlossen werden soll) und für mich eine so positive Wagner-Erfahrung, wie ich sie noch nicht hatte. Das ungute Dauerraunen des „Parsifal“ vergessen, und auch eine ganz andere Hörerfahrung als im „Holländer“. Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich mich mal an „Tristan und Isolde“ wage?

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba