Antwort auf: james 'blood' ulmer

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vorgarten

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music revelation ensemble, elec. jazz, diw 1990, rec. 12./13.3.1990
ulmer (g), david murray (ts), amin ali (eb), cornell rochester (dm).

erstes aus den 90ern, die cover werden nicht unbedingt kreativer, die musik schon, und jim anderson (für diw) weiß, anders als die freiburger kollegen, wie man eine elektrische jazzband audiophil aufnimmt, ohne das draufzuschreiben.

keine zärtliche angelegenheit, was klar wird, wenn man die beiden herren in der hinteren reihe ansieht, mit ihnen hat das music revelation ensemble seinen sound gefunden, für mich eine der besten und originellsten jazzbands der 90er. eine ultraharte ausgabe von captain black, bleibt irgendwie auf ornette coleman bezogen (ich könnte mir jederzeit vorstellen, ihn hier mitspielen zu hören), verbindet völlig frei (tatsächlich: free) funk- und swingelemente, das ist hier quasi symmetrisches konzept: 2 stücke kommen in verscheidenen takes, eins mit ulmer-solo, eins mit murray-solo, bei „exit“ (der rahmen des albums) geht das soweit, dass sie beim ersten funk spielen, beim zweiten behällt ali die funk-basslinie bei, während rochester dazu gegenläufig swing spielt. das irre ist, dass sie währenddessen mit dem jeweils anderen idiom flirten können. im zweiten stück (swing), setzt ulmer im murray-solo aus, wir haben also nacheinander zwei trios. ein anderes stück („taps dance“) ist anders gesplittet, da spielt ulmer solo über gleichfalls solierende dm und b, während letztere für murray einleitend in eine art calypso fallen.

ulmer ist ziemlich unglaublich hier, sehr viele single notes, mit wahwah unterschiedlich strukturiert, meist im anderen rhythmus als die kollegen vorgeben, harmonisch trotzdem immer wieder verankert, mit vokalen qualitäten, stotternd, brabbelnd, beschwörend. murray dagegen als schwerstarbeiter, wühlt sich in die soli, dreht die themen hin und her, schraubt sich hoch, baut höhepunkte, in denen er entweder überblasend noch melodien spielt (mit vibrato!) oder nur noch sounds von sich gibt (mehrfach mache ich mir sorgen und hoffe, dass sie ihn zwschendurch ins sauerstoffzelt geschickt haben). powerplay, das miteinander kommuniziert, bei rochester ist jeder schlag definiert, trotzdem schafft er es noch, auf die solisten einzugehen.

sehr interessant ein langsamer blues in der mitte („no more“), den ulmer ähnlich angeht wie der kollege scofield, viele noten über die struktur hinweg, aber wie anders: keine technisch perfekten läufe, die die meisterschüler fehlerfrei transkribieren können, sondern eruptiv, aus dem verschmierten kommen die einzelnen pfeile, aus dem gemurmel der ausruf. kann man nicht immer hören, und wenn dann nur sehr laut, unbedingt die nachbarn vorwarnen, oder eben kopfhörer nehmen, hat gerade super geklappt.

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