Antwort auf: Ich höre gerade … klassische Musik!

#11586499  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 68,342

Das Tempo, das diverse Label trotz Pandemie hinlegen, ist schwindelerregend … aber die neue CD der Kapsber’girls musste mit – das Cover allein hätte mich schon neugierig gemacht, aber nach dem Vorgänger war eh klar, dass ich das haben will. Hier git es „Brunettes“ zu hören, ein zu Beginn des 18. Jahrhunderts besonders beliebtes Genre von strophischen Liedern. Christophe Ballard brachte 1703 eine erste Sammlung heraus, der aufgrund des grossen Erfolgs 1704 und 1711 weitere folgten – mehr als 500 Lieder insgesamt. Diese waren zumeist im 17. Jahrhundert schon erschienen, reichten teils aber bis in die Renaissance zurück. Die Lieder fanden Eingang in die damalige musikalische Praxis des Adels, auch wenn Philosophen wie Voltaire, d’Alembert oder Diderot sie in Frage stellten. Einigen flossen ins Volksliedrepertoire ein („Où êtes-vous allées“ wurde z.B. noch von Nana Mouskouri gesungen).

„Die Brunettes stellen eine ländliche Idylle vor, in der sich teils mythologische, teils irdische Hirtinnen und Hirten sorglos vergnügen. Ihr lange anhaltender Erfolg weist auf den Geschmack der oberen Gesellschaftsschichten für diese mythisch verklärte pastorale Welt hin. In dieser Hinsicht nahm der lange Schäferroman L’Astrée von Honoré Durfé (veröffentlicht zwischen 1607 und 1627) eine eindeutige Vorreiterrolle ein und beeinflusste massgeblich die spätere Literatur und Musik.“ (Aus den Liner Notes von Albane Imbs, die bei den Kapsber’girls Laute, Theorbe, Gitarre usw. spielt und die Gruppe auch leitet.)

Zum Figurenrepertoire der Lieder zählen Tircis/Tirsis, der tapfer Schäfer, Phyillis, Iris, Chloris/Cloris, Nymphen und Hirtinnen, aber auch zweifelhaftere Charaktere wie Nanette, Lisette oder Margot – die gleichen Geschichten tauchen bei Molière und bei den Komponisten des französischen Barock ebenfalls auf. Hier vertreten sind u.a. René Drouard du Bousset, Elisabeth Jacques de la Guerre, Michel Lambert und Jean-Philippe Rameau. Die Kapsber’girls treten unverändert in Quartettbesetzung auf (Sopran, Mezzo, Gambe, Laute/Theorbe/etc.), neu ist Garance Boizot an der Gambe, weiter dabei sind neben Imbs die beiden Sängerinnen Alice Duport Percier und Axelle Vernier. Aufgenommen wurde das Album im September 2020 in Evje (Norvegen), als Produzent agierte Rolf Lislevand, der auch gleich den Schnitt, die Abmischung und das Mastering übernahm. Und die Kapsber’girls sind damit vom Nachwuchslabel MuSo zum Hauptlabel der Outhere-Gruppe „befördert“ worden, was mich sehr freut. Hoffe, da kommt noch ganz viel!

Die CD erscheint offiziell wohl erst Mitte Oktober, ein kleines Promo-Video ist schon im Netz zu finden:

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba