Antwort auf: Musik im Wandel der Zeit: Wie Musik sich verändert

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krautathaus

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herr-rossiEine immergrüne Diskussion, auch hier im Forum, geführt von zwei der erfolgreichsten Musiktheorie-Erklärbären des Internets. Gerade weil ich Rick Beato sehr schätze und seinen Kanal schon seit Jahren verfolge, fand ich seinen halbstündigen Rant darüber, warum die heutige Musik so langweilig sei, zutiefst enttäuschend, weil er darin über die Musik der Gegenwart in der oberflächlichsten und uninformiertesten Weise spricht, und damit in der Kommentarspalte ein Boomer-Festival Woodstockschen Ausmaßes lostrat. Die Hölle. 12tone – der mit den Doodles – zieht Rick dafür ausdrücklich zur Verantwortung: Wenn Youtuber als Experten angesehen werden wollen, dann sollten sie auch tatsächlich wie Experten argumentieren. In nicht mal der Hälfte der Zeit, die Beatos Rant beansprucht (15 statt 32 Minuten), nimmt 12tone präzise auseinander, was daran alles sachlich falsch, biased und lazy ist.Rick Beato: Why Today’s Music Is So BORING. The Regression of Musical Innovation 12tone: No, Today’s Music Isn’t Boring (A Response To Rick Beato)

Ein großer Gedankenfehler von Rick Beato ist: warum die von ihm favorisierten harmonischen Überflieger der Grungezeit Anfang der 90er mit solch ausgefuchsten Harmonien derart populär waren, war der Grungewelle/Jugendbewegung geschuldet die genau diesen Veröffentlichungen Millionenabsätze ermöglicht hatte. Selbst wenn die Stücke harmonisch etwas einfacher gestrickt gewesen wären, hätte das der Popularität der Alben kaum geschadet.

Es gibt ja seit dem Britpopphänomen Mitte der 90er auch keine Kulturwelle mehr, die u.a. ausgefuchstere Harmonien wie von Blur (oder Oasis) mit populär machten. Nur hatten Blur auch mit einfach gestrickten Songs viel Erfolg (Country House, Song 2).

Im Fall von Nirvana war der größte Hit von Nevermind „Smells like teen spirit“ oder „Come as you are“ harmonisch eher einfach, aber die Gesamtverkaufszahlen des Albums machten natürlich auch die komplexeren harmonischen Songs auch populär.

Kein Wunder daß sich Beato gerade auf die letzten 20 Jahre bezieht, denn da gab es auch keine Kultwelle mehr.

Leider widerspricht sich Beato auch selber, wie „12Tone“ sehr gut darstellt. Die Spotify-Charts-Videos von Beato sind noch nicht so lange her, insofern kann man sich gut darauf beziehen. Ich weiß noch wie er „Leave the door open“ so gelobt hat, was ja auch ein toller Song ist. Also geht doch.

Als „12Tone“ Bill Withers ansprach (Ain’t no sunshine) als Beispiel für harmonisch simple Erfolgssongs in den „golden 70s“ da mußte ich lächeln, weil mir schon vor dessen Video ein einfacher Withers Song „Use Me“ im Kopf rumging (oder auch „who is he – and what is he to you?) der nur 2 Akkorde hat. Sehr erfolgreich war allerdings auch sein „Just the two of us“ das wiederum harmonisch aufwändig ist…es waren also schon immer harmonsch einfach gestrickte sowie komplexere Songs sehr erfolgreich.

 

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