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Die Nacht der Abrechnung (The Stand at Apache River, Lee Sholem, 1953)
Ähnlich wie die erste Hälfte von Mörder des Klans und The Hateful 8 ist auch dieser Film eine Art Kammerspiel. Eine begrenzte Anzahl von Personen, hier maximal ganze neun, finden sich auf dem begrenzten Raum einer Postkutschenstation ein. Für mich ist das schon insofern bemerkenswert, weil gerade der Western ja prinzipiell ein Genre ist, in dem der fast endlose Raum des Westens die Kulisse bildet. Wer ‚Western‘ hört denkt zunächst fast sicher an Fords Bilder des Monument Valleys, an Treks, Büffel- oder Rinderherden in einem Meer aus Gras, an fast unüberwindbar weite Flüsse wie den Mississippi. Hier dagegen ist nach einer kurzen Eröffnungssequenz alles eingeengt. Ein schmaler Fluss begrenzt den Platz vor der Poststation, dahinter erheben sich Steilwände. Die nächste Stadt ist weit entfernt, und die Betreiberin der Station, Ann Kenyon, beklagt sich ausführlich darüber, wie eingeschränkt sie dadurch ist, besonders in ihren sozialen Kontakten. Ihr Mann ist viel unterwegs, so auch gerade, und habe wenig Zeit für sie. Außerdem vermisst sie besonders den Kontakt zu anderen Frauen, Gespräche über Mode und andere zivilisierte Dinge. Daher ist sie froh, als zu Beginn des Films die auf der Reise zu ihrem Verlobten befindliche Miss Kendrick in der Station Rast macht. Ebenfalls eine Nacht bleiben will Colonel Morsby, ein fanatischer Indianerhasser, der diese am liebsten ausrotten möchte. Zeitgleich, aber unabhängig von der Postkutsche erscheint auch Sheriff Lane Dakota mit dem auf der Flucht von Indianern schwer verwundeten Gefangenen Greiner, den der Sheriff hasst und den er an den Galgen bringen will. Anwesend sind außerdem der Kutscher und ein junger Mann namens Lee Hatcher, der wohl aus der Gegend stammt und Miss Kenyon zugetan ist. Recht bald tauchen dann Indianer auf, die unter der Führung von Cara Blanca auf der Suche nach Lebensmitteln unerlaubt das Reservat verlassen haben. Sie kaufen etwas Salz und Mehl, und es wird ihnen klar gemacht, dass sie bis zum nächsten Morgen verschwinden müssen, wenn Morsby ihnen nicht die Hölle heiß machen soll. Doch am nächsten Tag lagern sie noch immer am Fluss, und die Spannungen nehmen schnell zu. Und das nicht nur zwischen den Weißen und den Apachen, sondern auch in der bald belagerten Station verfolgen nicht alle ein gemeinsames Ziel. Greiner will fliehen, der Colonel sieht sich bestätigt, der Sheriff ist um Ausgleich bemüht und erntet dafür die Liebe von Miss Kendricks. Irgendwann kommt noch Tom Kenyon, Anns Mann, zurück und erkennt, dass Hatcher und er Rivalen sind, und auch der im Kampf verwundete Cara Blanca wird in die Station geholt. So wird der Platz, den die Gruppe in der Station hat noch geringer. Nicht etwa, weil man mit neun Personen von einer Überbelegung der Räume sprechen könnte, sondern weil selbst die Mauern keinen geschützten Platz mehr bieten, weil die Gefahr von allen Seiten auf alle eindrängt. So spiegelt das Außen das Innen der Figuren. Denn auch die Herzen und Seelen der meisten Figuren sind verengt. Vom Hass, auf Indianer, auf Weiße und besonders die Armee in der Person des Colonels, auf den mutmaßlichen Mörder Greiner, auf den eigenen Ehemann, der Schuld am Leben in der Einöde ist, auf den Sheriff, der nur das Hängen Greiners im Sinn hat. Und von Angst, Angst vor dem eigentlich unbekannten Verlobten, den zu heiraten man sich genötigt fühlt, Angst vor einem Leben ohne Liebe, Angst vor dem eigenen Untergang. So ist keine der Figuren wirklich frei. Sheriff Dakota ist zwar ein Freigeist, wenn es um das Verhältnis von Weißen und Indianern geht, der sehr moderne Ansichten vertritt und viel Verständnis für die seit Jahrhunderten unterdrückten, vertriebenen, getöteten und eingesperrten Ureinwohner hat und zur Armee ein kritisches Verhältnis hat. Sein brennendes Verlangen, Rache an dem Mörder Greiner zu üben bringt ihn aber beinahe um eine vielleicht unbeschwerte Zukunft, denn Miss Kendricks und er verlieben sich zwar, doch zunächst steht sein Hass der Erlösung entgegen, denn sie will ihn nicht, wenn sein Herz so eng ist. Er muss sich also nicht nur von den ihn und seine Gruppe belagernden Indianern befreien, sondern auch von der last, die auf ihm liegt, um zu einem Happy End zu kommen. Andere, die an diesem Akt scheitern, überleben The Stand at Apache River nicht. Dieser recht kurze (77 Minuten) lange B-Film ist in meinen Augen eine wirkliche Genreperle, die mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Sicher ist er nicht perfekt, aber was hier aus den vorhandenen Möglichkeiten gemacht wird ist großartig. Ich gebe gerne 9/10 Punkten.
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And all the pigeons adore me and peck at my feet Oh the fame, the fame, the fame