Antwort auf: Archie Shepp

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gypsy-tail-wind
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Danke … dann guck ich mal, ob’s dazu irgendwelche Online-Reviews gibt.

Was den Ansatz angeht, die Lippe, mir ist zuwenig klar, wo Shepps Problem genau lag, wollte oben nicht zu technisch werden, aber wenn es ja interessiert: der klassische Ansatz (Klarinette und Saxophon) funktioniert so, dass die Unterlippe über die Zähne gelegt wird, und das ist dann, was mit dem Rohrblatt in Kontakt kommt. Oben wird mit den Zähen direkt aufs Mundstück „gebissen“. Und ja, beim klassischen Ansatz muss das hart sein, mein Klarinettenlehrer testete das, in dem er gegen meine Klarinette schlug (nicht stark, klar). Die Spannung kriegt man mit den Muskeln seitlich der Lippen, die bei Klarinettisten (und sicherlich auch bei Oboisten, die auch bei der Oberlippe mit den Zähnen „beissen“, da Doppelrohrblatt, nicht Mundstück) stark ausgebildet sind (die Überreste, die ich davon auch nach Jahren ohne regelmässiges Spielen noch habe, sind immer noch stark genug, dass man keine Eckzähne drunter spürt, wenn ich sie anspanne).

Im Jazz gibt es natürlich zu allem Varianten … Coltrane spielte auch oben mit der Lippe über den Zähnen, liest man (hab nie versucht, das mit Bild- oder Tonmaterial zu verifizieren, ich versteh auch den Grund nicht, weshalb man das tun sollte), und ich wär nicht überrascht, wenn es auch Leute gäbe, die unten mal direkt die Zähne (oder wenn keine Zähne mehr da sind …) nutzten und die Lippe schonten. Dann gibt es im Jazz auf jeden Fall Varianten ohne seitliche Spannung des Mundes (also kein „harter“ Ansatz), was dann die Kontrolle erschwert und eine leicht anspringende Kombination aus Blatt/Mundstück bevorzugt erscheinen lässt. Mit hartem Ansatz (Coltrane) kannst Du alles kontrollieren, kannst aber auch einen sehr grossen, lauten Ton erzeugen (vielleicht nicht den voluminöstesten), mit weichem Ansatz kannst Du am ehesten Säuseln und Röhren und alles dazwischen wird halt etwas schwieriger, weil die Kontrolle ohne ausgeprägte/trainierte Muskulatur nicht leicht ist.

Auch alles nur in grob, es gibt sicher immer für alles passende Gegenbeispiele … die Thematik Blatt/Mundstück ist dann nochmal eine eigene (und die Thematik Blechbläser/Zähne nochmal was ganz anderes, wozu ich aber mangels Kenntnis überhaupt nichts sagen kann), generell: Anfänger spielen weich/eng, weil das wenig Luft braucht, weich/weit ist auch relativ easy (also kein harter Ansatz nötig, aber mehr Luft), hart/eng ergibt wenig Sinn, hart/weit (in Nuancen natürlich, als mittelhart, mittelweit, verschiedenen Formen der Kammer im Mundstück, verschiedene Schliffe der Blätter) ist dann halt das, womit praktisch alles geht, aber auch viel regelmässiges Spielen nötig ist (eine Woche Pause geht, zwei sind schon ziemlich krass, wenn Du dann auf einen Schlag zwei Stunden spielen musst).

Damit ist das Thema für den Forumsgebrauch wohl ziemlich erschlagen :-)

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