Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

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vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

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eine entspannte form von voodoo. gérard terronès holt die sängerin, von der man seit 7 jahren nichts mehr gehört hat, nach paris, und lädt shepp dazu ein. die rythm section findet sie selbst in einer kellerbar, hilton ruiz, jack gregg und freddie waits begleiten dort gerade marion brown. der trompeter roy burrowes ist mit sun ra in der stadt, er tauchte auch schon auf früheren alben von shepp auf.

am anfang ein ansatzweise lockeres „sophisticated lady“, wie um die band vorzustellen, jeder spielt eine kleine schöne miniatur, lincoln singt text – und danach sind die mikrofone falsch eingestellt, denn mit stevie wonders „golden lady“ passiert plötzlich dramatisches: eine spannung wird aufgebaut, die sich immer wieder in kleinen aussetzern entlädt, lincoln klatscht, brüllt, treibt die band zum schnellerspielen an, damit sie noch riskanter verschleppen kann. shepps ton kippt. 10 minuten drama. alle sind übersteuert. und frei. drei songs von lincoln über das loslassen und wegfliegen, mit harter stimme und stockendem atem. zwischendurch verliert sich hilton ruiz in den harmonien von michel legrand, und ebenso filigran und abgedämpft umspielt burrows die anderen stimmen, die sich frei im raum bewegen. und wenn am ende an den käfigen gerüttelt wird („birds are made to fly away!“), abbey lincoln tierstimmen imitiert, dass man es mit der angst zu tun bekommt, und die mikrofone explodieren, kommt das hohepriesterinnenamt zum abschluss.

ich warte noch auf die original-lp mit den session-fotos. von der deutschen lizenzausgabe, mit kritzelmalerei von peter kowald, haben die künstler*innen nicht profitiert, wie ich erfahren habe. abbey lincoln musste sich noch 10 jahre gedulden, um zu ihrem recht zu kommen. später im jahr traten shepp und lincoln noch zwei mal zusammen auf (den haag und nancy).

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