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Aha
SAFFER & THE JUKES – „Nothing in our bellies but a fire down below“
Folkmusic und ich, das ist eine schwierige Beziehung. Natürlich ist Woody Guthrie der ewige Held und Bob Dylan ein Genie (mit der Begabung, der Menschheit sogar einen Bobness-Furz als kryptisch gestalteten Geniestreich zu verkaufen). Aber Dylan ist eben Dylan und Guthrie war ein Hobo, ein Wanderarbeiter und Straßenmusiker, er war mittendrin in der „Great Depression“, der fürchterlichen Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren (an der übrigens der Zusammenbruch der vollkommen unregulierten Finanzmärkte schuld war; 80 Jahre später hat kein Aas davon gelernt), er wusste wovon er sang, nicht zuletzt aufgrund seiner privaten Schicksalsschläge.
Damit könnte man das Kapitel „Folk“ eigentlich abschließen (wenn man sich vorher durch Pete Seegers Schaffen geackert hat), denn alles was nach diesen drei kam war nicht mehr echt. Na ja, fast alles; die vielen, teilweise herrlich erfrischenden Folk-Rocker der letzten vier Jahrzehnte sind hier ausdrücklich ausgenommen, das ist ein ganz anderes Thema. Auf jeden Fall nehme ICH dem Boss seine klagenden Töne, und wenn sie noch so schnieke verpackt sind, einfach nicht ab. Und all den Folkies da draußen auf den Bühnen der Kleinkunstclubs sei gesagt: Man muss nicht schwarz sein um den Blues zu singen, man muss auch nicht Monumentalsongs wie This Land Is Your Land schreiben können um Folk zu spielen (man sollte This Land… aber bitteschön auf keinen Fall covern), man muss nur authentisch sein und seine Instrumente beherrschen, dann klappt es auch mit dem, der mit Folk sein lebenslanges Problem hat. Damit sind wir bei Stefan Saffer und seiner aktuellen Formation THE JUKES.
Stefan Saffer, der in Leipzig lebende Franke, hat sich im letzten Jahrzehnt zu einem kleinen Kritikerliebling hochgearbeitet. Auch bei uns wurden seine CDs mit THE COURTMEN gelobt, live ist er den Stimmen zufolge sowieso eine Bank. SAFFER & THE JUKES haben nun nach einer Live-CD ein erstes Studio-Album auf die Reise geschickt, das im Gegensatz zu früheren Produktion keine produktionstechnischen Mängel erkennen lässt. Das Album mit dem geschichtsträchtigen Titel „Nothing In Our Bellies But A Fire Down Below“ klingt perfekt, selbst anspruchsvolle (Kopf)Hörer dürften nichts zu bemängeln haben. Mitverantwortlich dafür ist Bassist Ulrich Mücke, der in den Achtzigern mit „Cäsar“ Peter Glaser in der DDR rockte.
Es ist zu hoffen, dass Stefan Saffer und die sechs Musiker der JUKES wenigstens halbwegs volle Bäuche (bellies) mit ihrer Musik ernten, denn so hübsch hat man traditionelle amerikanische Volksmusik lange nicht gehört. Da ist wenig bis nichts von der hierzulande oft üblichen Kneipenseligkeit zu hören, keine krampfigen Versuche die Originale originalgetreuer als das Original zu interpretieren, keine Anbiederung an einen „American way of life“, Stefan Saffer und seine Band machen schlicht schöne Musik. Die wird sicherlich in den Clubs und Kneipen auch funktionieren, aber es ist kein Ballermann-Folk, es ist ehrlich empfundenes eigenes und fremdes Liedgut. Selbst Guthries Deportees kommt anders (als das Original), wenn auch stimmlich stark an Springsteen angelehnt. Billy Bragg hat Deportees auch gespielt, Saffer ist besser.
The Star Of The County Down ist sicherlich eines der gängigsten Lieder in irischen Pubs, aber trotz dem historischen Migrationszusammenhang zwischen Irland und den USA passt die Nummer auf den ersten Blick nicht auf „Nothing In Our Bellies…“, aber letztendlich spielen Mandoline, Fidel und Gitarren so prächtig zusammen, dass man gerne in den Chor einstimmt. Die Buben und Mädels können wirklich was. Instrumental sowieso ohne Fehl und Tadel, werden THE JUKES deutlich von den Stimmen um Saffers sehr starken Leadgesang geprägt. Ein paar grummelnde Kerle und zwei Frauen, speziell Angela Hofmann, entlasten Saffer und geben den Songs eine Menge Farbe. Nur Dark Sunshine, solo von Frau Hofmann gesungen, geht als Neuinterpretation des Gassenhauers You Are My Sunshine mit seinen Molltönen irgendwie ins Leere. Aber das ist reine Geschmackssache. Ganz im Gegensatz zur herrlichen Gitarre bei Mary’s Garden. Die hat Klasse. Ohne jedes Recht zum Widerspruch.
SAFFER & THE Jukes und ich, das ist eine einfach Beziehung. Spätestens nach den Harmony-Vocals des Eröffnungssongs I’ll Fly Away war die Sache geritzt: „Nothing In Our Bellies But A Fire Down Below“ hat im Folk-Regal den Platz direkt neben den Klassikern verdient. Außerdem hat diese Art von Musik gerade heute wieder Berechtigung, denn: Die Zeit ist hart und braucht Klartext. Stefan Saffer singt ihn, verdient dafür großen Respekt, macht zusätzlich mit seiner Band allerfeinste Musik, die sogar primitive Rockfans befriedigt, auch wenn’s „nur“ Folk ist.
Fred Schmidtlein – Home of rock
Read full article: http://www.home-of-rock.de/CD-Reviews/Saffer/Nothing_In_Our_Bellies.html
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Saffer on myspace: http://www.myspace.com/stefansaffer