Re: Coldplay

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Anonym
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Sokrates…Das Phänomen einer steigenden Kritikerzahl bei wachsendem Erfolg ist alles andere als neu (vgl. Beatles-Threads), aber trotzdem nicht erfreulich, weil falsch. Die Kritiker lasten dem Künstler etwas an, was eigentlich den Kritikern zuzurechnen ist.

Falsch? Kann Dir nicht ganz folgen. Was ist der konkrete Vorwurf?
Projektion, Identifikation, Abgrenzung, Vereinnahmung, Ächtung usw sind doch alles klassische Wesenszüge und Funktionsmechanismen der Musik- und Unterhaltungsindustrie. Mag durchaus sein, dass oft nicht beurteilt wird, was ein Künstler vermitteln wollte und ob/wie gut er sein Ziel umgesetzt hat, sondern danach, ob es (noch) der eigenen Erwartungshaltung entspricht. Im Grunde fällen aber doch alle Sichtweisen ein Urteil auf dem Boden ihrer eigenen Werte. Letztlich ist das aber alles Nebensache: Der Künstler ist und bleibt frei, das zu tun, was er darstellen will. Wenn er diese Freiheit für sich in Anspruch nimmt … und wer von ihnen behauptet das nicht? … muss er damit klarkommen, in den Himmel gehoben oder vom Sockel gestoßen zu werden. Und da Musik auch immer eine Form von Kommunikation ist, wird er ja sicher eine ungefähre Vorstellung davon haben, wen er ansprechen will. Mir scheint, Du nimmst ihn da zu sehr in Schutz … und packst ihn in Watte.

Ob Coldplay „auf die Masse schielen“ oder den (für mich übrigens gar nicht sooo großen) Wandel aus anderen Gründen vollzogen haben, wissen wir ;-) nicht. Das zu behaupten ist spekulativ, zu widersprechen genauso. Falls Deine Fragestellung impliziert, dass Du diese Aussage aus sich heraus auch schon als negative Eigenschaft bewertest, wäre sie ebenso vorbeladen. Welchem Künstler wollte ich denn vorwerfen, eine möglichst große Mehrheit von Menschen mit seinen Werken beglücken zu wollen? Anrüchig wird es doch erst, wenn er manipulativ stilistische Mittel als Selbstzweck dazu benutzt, um (weiter) zu gefallen. Das ist aber nicht quantitativ, sondern als Bewertung eines Motivs qualitativ zu betrachten, denn wenn Mr. Independent himself so vorgeht, um in seiner coolen kleinen Fangemeinde der Halbgott zu bleiben, macht er nichts anderes.

Fundstück, weil’s zum Thema passt:
„Wir haben unsere Songs nie mit Blick auf Verkaufszahlen geschrieben“, versichert Chris Martin. „Mit unseren ersten drei Alben haben wir eine Position erreicht, die es uns erlaubt, wesentlich freier zu arbeiten.“… Im Pop waren die Königreiche immer schon aus Sand gebaut.

http://www.tagesspiegel.de/kultur/Coldplay%3Bart772,2550686

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