Antwort auf: Ich höre gerade … klassische Musik!

#11314093  | PERMALINK

soulpope
"Ever Since The World Ended, I Don`t Get Out As Much"

Registriert seit: 02.12.2013

Beiträge: 56,509

clasjaz

gypsy-tail-wind …. 

…..Danke auch für Eure Erinnerungen. Ich habe längst nicht so viel Konzerterfahrungen wie Ihr, habe wohl in den falschen Städten gelebt oder nicht aufgepasst. Die größten Erlebnisse, neben Kurtág, waren wohl das Melos-Quartett, die Juilliards vor allem, Leonskaja und sehr früh Margaret Price. Auch die Orchesterstücke von Alban Berg – habe aber den Dirigenten vergessen – und Mahlers IX. mit Bertini in Köln. Lange her. Oft war es aber so, dass ich nach Konzerten zu Hause erst einmal mit „vernünftigen“ Einspielungen die Ohren auswischen resp. das Werk wiederherstellen musste … Das Hören von Klassik begann bei mir auch in den späten 80ern, also relativ jung. Ein Jugendfreund und ich stürzten uns – die späte Jugend macht vor nichts halt, will sofort das Größte – auf die Literatur, auf die Musik. Das waren Joyce – allerdings noch nicht der Ulysses, den ich erst viel später gelesen habe, sondern Stephen Hero -, Kafka habe ich im Biologieunterricht lesen dürfen, guter Lehrer, viel zu früh gestorben, usw. Proust. Und in der Musik: Mahler. Und: Glenn Gould mit den Goldberg-Variationen. Nicht sehr außergewöhnlich, aber mich hat das völlig in die Transpiration gebracht. Irgendwann, viel später, dann ein Klavier gekauft, um wenigstens die Aria spielen zu können … Hat geklappt. Vom Elternhaus her alles sehr verwunderlich, denn niemand, bis heute, hat irgendeine tiefere Lust auf Kunst. Und mit dem ernsten Klaumauk sive Andacht bei klassischer Musik habe ich auch nichts am Hut, jedenfalls nicht in der geläufigen Weise. Es gibt natürlich Momente … Also der umgekehrte Weg als bei Dir @gypsy-tail-wind, denn irgendwann dachte ich, da muss doch noch mehr sein als Chopin. Das fand ich zuerst bei Paul Bley. Dann bei Cecil Taylor, und, wie bekannt, bei Bill Dixon. Ein halsbrecherischer Einstieg in den Jazz, aber ich war ja alt genug inzwischen. Und ich danke immer noch für die freundliche Aufnahme hier und all Euer Wissen, auch wenn ich sehr, sehr langsam im Hören bin.

Schön daß hier ein kleiner Austausch – mglws da auch 2020 eine eher abrupte Zäsur zu manchem Vergangenen darstellt –  bezüglicher eigener Wege und Verirrungen zur Musik entstanden ist …. Leonskaja (welche – wenn sie in der Laune war – grosses Kino entfachen konnte/kann) Bertini mit Mahler und das Melos Quartet waren sicher sehr erhörenswert …. und es ist oft schwer das eben konzertant Erlebte realistisch einzuordnen (zB mir schwer erträglich jene Menschen, für welche jedes von ihnen besuchte Konzert einzigartig ist/war) und oft steht man sich dabei selbst im Weg …. als persönliches Beispiel (aus dem Jazz) mein inniges Bedauern nie das Max Roach Quartet mit Billy Harper an Tenorsax und Reggie Workman am Bass in den 70ern live gesehen zu haben und dadurch lange Zeit nicht den „tieferen Wert“ des Max Roaches Konzertes bei den Nickeldsdorfer Konfrontationen 1986, bei welchen der auf Tonträgern oft fahle Odean Pope entfesselt aufspielte und Art Davis eine Bass Meisterklasse gab, begriff …. the lunatic is my head ….

--

  "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" (K. Valentin)