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Sokratesaltmodisch
nail75zeitlos
Ich vermute mal, die „Big Pink“ klang schon, als sie rauskam, wie aus einer anderen Zeit herübergeweht und aus der Zeit gefallen, nicht aktuell, nicht datierbar, „altmodisch“ passt für mich persönlich da genauso wenig wie „zeitlos“, ich fand’s immer eher: mysteriös (oder magisch?).
Ich fand die Platte vom ersten Hören vor 30 Jahren an faszinierend, seltsam, betörend, rätselhaft. Alles klang irgendwie tiefer als einfach bloß gut, anders, das Entscheidende spielte sich irgendwo jenseits von „amtlich“ und „gekonnt“ ab, ich hatte vom ersten Stück, eigentlich von der ersten Minute, fast vom ersten Ton an das Gefühl, irgendwie scheinen diese Typen etwas zu wissen, von dem ich nichts weiß, haben Zugang zu einer Tiefenschicht aus Traum und Vergangenheit, irgendetwas spukte durch diese Musik, das ich nicht greifen, nicht benennen konnte.
Der ungewöhnliche Drum-Sound.
Der Gesang, der sich änderte wie ein Wechselbalg, aber mich traf, egal, wer da sang, denn eine Qualität blieb: Eine Unverstelltheit weit jenseits von Virtuosität, Eitelkeit, Inszenierung.
Die Gitarre in Tears of Rage, die so Leslie-artig eierte.
Das ganze Lied, das so torkelnd, taumelnd daherkam, müde und doch überhaupt nicht schlaff, spannungsgeladen inmitten all der Erschöpfung, nicht auf Überwältigung zielend, aber rätselhaft packend („rage?“, fragte ich mich – was ist das für eine Wut, die so weit jenseits von Lautstärke und Kraft angekommen ist?).
Die Platte ist was ganz Besonderes, und was mich betrifft, hat sich diese Qualität mit den Jahren nie abgenutzt – in gewisser Weise bleibt sie für mich damit tatsächlich
otismodern
auch wenn mir selber die Vokabel bei „Big Pink“ erstmal überhaupt nicht eingefallen wäre.
Eins noch:
SokratesMusik ist mir wichtiger als Text.
Auch mir ist beim ersten, zweiten Hören oft die Musik wichtiger ist als die Texte, aber letztlich … Worte sickern ein, bleiben hängen, werden zu Satzfetzen und Sätzen, und irgendwann fügt sich eines zum anderen, es ist wie dieses „Dalli klick“-Spiel früher im Fernsehen, bei dem sich ein Bild schrittweise offenbarte, und am Ende ist mir bei einer Kunstform, die auf Songs gründet, alles wichtig, und in aller Unbescheidenheit behaupte ich: Wer die Texte nicht ignoriert, versteht diese Kunst besser, tiefer, emotionaler als jemand, der den Texten nicht nachspürt. Wer würde bei Rilke sagen, mich interessieren die Reime mehr als die Rhythmen, bei Picasso, mich interessieren die Formen mehr als die Farben, bei Scorsese, mich interessieren die Bilder mehr als die Dialoge? Ich jedenfalls kann das nicht trennen, auseinandergliedern und hierarchisieren, zumindest nicht bei Kunst, die mich nachhaltig packt.
Aber da, Sokrates, würde mich eine Präzisierung von Dir interessieren – gilt das grundsätzlich, oder bei manchen Künstlern mehr, anderen weniger?
Okay, das müsste man wohl in einem eigenen Thread erörtern, da hier off-topic.
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