Antwort auf: John Coltrane

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gypsy-tail-wind
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vorgarten
verstehe schon, dass das erst 4 jahre später auf den markt kam, es klingt einfach nicht nach 1960.

Na ja, der Markt klang halt falsch ;-)

Ich hänge gleich noch die letzte Runde an, obwohl ich natürlich gerade Lust hätte, die ganzen „Africa/Brass“-Sessions einzuschieben, aber dafür reicht es heute nicht mehr, nach diesem Nachmittag (der natürlich nicht ohne einige Wiederholungen und Unterbrüche von sich ging, brauche ich dann auch noch was anderes am Abend). Mit „Olé“ sind wir im Territorium, das der ehemalige auf „Flamenco Sketches“ und „Sketches of Spain“ schon ausgelotet hat, aber bei Coltrane kriegt das nochmal eine andere Dimension, da flirrt alles, wir sitzen vor dem einstöckigen maurischen Bau und blicken in die weite Ebene, dahinter erahnen wir das Meer und auf der anderen Seite schroffe Felsengebirge. Die Luft flirrt, die Bässe lassen sie vibririeren, Tyner und Jones ruckeln durch den 6/8-Groove, präzise und doch völlig frei. Coltrane beschwört Schlangen und umrankt Tänzerinnen (oder ist er selbst eine?) und ein gewisser George Lane ist auch mit dabei, seine Flöte hebt als erste zu einem Soloflug an, gefolgt von Freddie Hubbards Tropmete, beide wirken leicht und schweifen weit aus, ohne den Faden aus der Hand zu geben – sonst wären sie auch auf der Stelle verloren, denn die Rhythmusgruppen-Karawane würde ohne sie weiterziehen, gnadenlos. Und gnadenlos gut!

Alles, was danach folgt, hat erstmal keinen leichten Stand. Aber durch die Reduktion und die erneuten leicht exotischen Einsprengsel wirkt der Blues „Dahomey’s Dance“ schon recht stark. Und stark ist Coltrane’s Einstieg ins erste Solo ebenfalls. Hubbard wirkt im Vergleich recht konventionell, aber auch noch sehr unverbraucht und locker. Dolphy spielt hier Altsax, sein Solo öffnet nach Hubbard nochmal ein paar Türen, wirkt stellenweise vom Duktus her fast wie gesprochen. Danach ist die Bahn denn auch frei für „Aisha“, das andere Tyner-Stück (nach „The Believer“), das Coltrane aufnahm. Und das ist natürlich sehr, sehr schön! Dolphys Solo finde ich hier neben dem Beitrag von Tyner -besonders toll.

Es folgt noch „To Her Ladyship“ von Billy Fazier, 1970 zwischen „26-2“ und dem „Untitled Original“ aka „Exotica“ auf Seite A von „The Coltrane Legacy“ erschienen). Falls das der passende Frazier ist, spielte er wohl ein Jahrzehnt früher mal kurz bei Dizzy Gillespie und schon in den Dreissigern bei Jimmy Dorsey. Hier trägt Dolphy an der Flöte die Melodie, dann übernimmt zunächst Coltrane am Sopran und später Hubbard an der Trompete. Das ist gleich nochmal ein sehr, sehr schönes Stück, aber um es auf dem Album noch unterzubringen, hätte es (oder „Aisha“) deutlich gekürzt werden müssen. In der Abfolge passt es nach „Aisha“ auch nicht so recht, denn dieses bildet schon einen perfekten Schlusspunkt (und ich bin, bevor ich das tippte, gerade hektisch zu Discogs rüber, und sehe erleichtert: der Produzent hatte nicht die Idee, die Ballade in die Mitte zu packen – zum guten Glück nicht!)

Weil wir es von ihm kürzlich auch wieder hatten: Donald Garrett (später Rafael Garrett) aus Chicago war es wohl, der Coltrane auf die Idee mit den zwei Bässen brachte, die er ja in den folgenden Jahren immer wieder mal umsetzte. Ellington hatte schon in den Dreissigern manchmal zwei Bassisten eingesetzt, aber sonst war das eine ziemlich neue Idee. Garrett hat gemäss den Liner Notes von Lewis Porter im Booklet der „Heavyweight“-Box Barbara Gardner folgende Erklärung geliefert: „We have been friends since 1955, and whenever he is in town, he comes over to my house, and we go over ideas. I had this tape where I was playing with another bass player. We were doing some things rhythmically and Coltrane became excited about the sound. We got the same kind of sound you get from the East Indian water drum. One bass remains in the lower register and is the stabilizing, pulsating thing, while the other bass is free to improvise, like the right hand would be on the drum. So Coltrane liked the idea.“ (S. 23 im Booklet).

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